Home Story

Wie es sich wohl so lebt in einer Golfmonarchie, kann sich hier im Dschungel niemand vorstellen. Kann überhaupt jemand »Hierarchie« und »Autoritarismus« richtig buchstabieren? Das sind so gut wie unbekannte Begriffe. Hier arbeitet doch ein Kollektiv! Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist abgeschafft. Von wegen »mein« Computer, »mein« Telefon, »mein« Schreibtisch, wenn jemand Neues zum Kollektiv stößt, werden Plätze getauscht. Wer gestern hier saß, sitzt morgen dort und darf sich mit den Eigenheiten einer neuen Telefonanlage vertraut machen. Allein rein von den landschaftlichen Gegebenheiten her sähe es hier schlecht aus für die Golfmonarchen. Es braucht die Weite der Wüsten, wo der Herrscher von seinem Palast aus die Untertanen überblicken und ihnen von ferne zuwinken kann. Im Dschungel, zwischen verwinkelten Räumen, Altpapierhügeln und Zeitungsbergen, würde man den Monarchen ja glatt übersehen oder mit ihm zusammenstoßen. Und sich einfach im neuen Maserati zurückzulehnen und den hippsten Fatwas im Subwoofersound zu lauschen, während die Untertanen Bürotürme hochziehen müssen, das ginge hier auch nicht. Hier beutet niemand andere aus, sondern alle nur kollektiv sich selbst. Alle arbeiten selbstbestimmt. Die eine bestimmt sich selbst etwas mehr, der andere weniger. Die Aufgaben werden gerecht verteilt. »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!« heißt es. Notwendige Arbeiten werden von allen erledigt. Der Kollege, der sich freiwillig zur Neuverteilung der Putzaufgaben gemeldet hatte, geht mit einem Putz-Wunschzettel umher und fragt sanftmütig: »Was würdest du denn gerne machen?« Individuelle Vorlieben werden ernst genommen. Kann ich mich eher durch das Putzen der Klos selbst verwirklichen oder durch das Aufräumen der »Kruschlecke«? Schließlich finden sich Verantwortliche für alle Aufgaben, ganz ohne Zwang. Und alle werden integriert. Sogar die Kollegin, die aus gesundheitlichen Gründen derzeit keine Putzarbeiten übernehmen kann, bekommt eine Aufgabe. Sie soll einen anderen Kollegen kameradschaftlich an seine Putzverantwortung für das Kollektiv erinnern. Eine weitere für die Produktion einer Zeitung notwendige Arbeit ist das Füllen der Zeitungsseiten. Auch diese Verantwortlichkeiten werden einvernehmlich geteilt. Doch das Wichtigste bleibt für uns natürlich, trotz des bestehenden Zwangs zur Überlebenssicherung, dass unsere schöpferische Tätigkeit auch anerkannt und unser Werk freudig aufgenommen wird. Das hoffen wir zumindest, liebe Leserinnen und Leser. Schließlich steckt in unserer Arbeit doch ein gutes Stück Liebe oder Kritik oder Wahnsinn oder so. Aber über ein paar eigene Ölmilliarden würde sich hier bestimmt auch niemand beschweren.