Modern Talking treffen Lee Perry

Alles schon mal da gewesen, nur noch Retro um einen herum. So lautet oft der Tenor Popmusik­interessierter, die auch keine 20 mehr sind. Und es stimmt ja auch; vor lauter Vergangenheit weiß man in der Popmusik von heute gar nicht mehr, worin eine Zukunft liegen könnte. Auch John Maus ist einer, der mit Zitaten nur so um sich schleudert. Einer, der mal wieder die Achtziger plündert und dabei auch vor den damals gängigen schlimmen Verbrechen am guten guten Geschmack (wir reden hier etwa von Modern Talking oder Stock, Aitken, Waterman) nicht zurückschreckt. Und der das so brillant und auf durchgeknallte Weise macht, dass man das Gefühl hat, Retro könnte doch ein Schritt nach vorne sein. Er clasht wirklich verboten käsig klingende Synthesizersounds mit seiner wehklagenden dunklen Ian-Curtis-Gedächtnisstimme, die schnell eine Gothic-Stimmung aufkommen lässt, die wiederum so gar nicht zu dem übrigen Synthie-Gebrabbel zu passen scheint. Dazu kommen Orgelsound und noch mehr Kitsch und noch viel mehr Pathos. Und da man als Hörer sowieso ziemlich schnell hochgradig verwirrt ist von dieser Musik, blickt man endgültig nicht mehr durch, wenn John Maus, der neue Darling des Hipster-Pop, der nebenbei auch als Philosophiedozent tätig ist, sein krudes Soundgebräu auch noch mit Hall­effekten aufbereitet, als wäre Lee Perry persönlich der Produzent dieses Albums. Wer aus so viel Vergangenem etwas derart Furioses schafft wie Maus, ist ganz zurecht ein Szene-Superstar.

John Maus: We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves (Upset! The Rhythm)