Über die Vorteile des Rauchens ohne Qualm

Rauchen ohne Rauch

Der Elektrozigarette gehört die Zukunft. Sie ist dem normalen Qualmstängel in ­jeder Hinsicht überlegen.

»Papa, rauchst du auch die E-Zigarette?« hakt meine Tochter beharrlich nach, wenn ich mich auf den Balkon verdrücke. In der heutigen Gesellschaft werden rauchende Väter schnell zu zombieähnlichen Parias, wenn im Kindergarten die Geschichte vom Baby umgeht, das im Sandkasten eine Kippe verschluckte und dem daraufhin vom Doktor der Magen ausgepumpt wurde.
»Ja«, sage ich zu meiner Tochter vor der Flucht auf den Balkon, obwohl ich mit dem Gerät ebenso gut im Kinderzimmer inhalieren könnte. Doch Rauchen bedeutet mehr als Nikotinzufuhr, das Ritual der Flucht aus dem Alltag ist genauso wichtig. Deshalb gehe ich auch mit der E-Zigarette auf den Balkon, um den kurzen Moment der inneren Einkehr zu genießen. Dass mir die E-Zigarette dabei den gleichen Kick verschafft wie eine normale Zigarette, grenzt an ein Wunder.
Bei der E-Zigarette handelt es sich um einen High-Tech-Inhalator, der Glyzerin, Wasser und flüssiges Nikotin zu einem Nebel verdampft. Diesen Nebel atmet man ein, und was danach aus dem Mund kommt, ist Wasserdampf – geruchslos, frei von Giften, luftbefeuchtend. Deshalb darf man das Gerät bei Ryan Air ganz offiziell in der Kabine und im Regionalexpress zum Bierchen dampfen. Solange der Akku hält, der sich sogar per USB am Laptop aufladen lässt. Glücklicherweise ist das Aufladen selten nötig, seit Ende 2010 gibt es ein Modell, das relativ einfach in der Handhabung und zuverlässig ist. Vorher waren E-Zigaretten tatsächlich nur etwas für technik­affine Nerds.

Etwas Übung ist erforderlich, um das Mundstück mit der Flüssigkeit zu füllen, die das Nikotin enthält, dem Liquid. Dabei wird das Liquid auf einen Wattebausch geträufelt, eine Füllung reicht ungefähr so lange wie eine Zigarettenpackung. Bei der Bestellung eines E-Zigaretten-Startersets werden gleich zwei Geräte zugeschickt, so dass man eins auf Vorrat mit zur Party nehmen kann. Dort bin ich dann der Smalltalkmagnet und mutiere zum Early Adopter, einem Menschen, der früh die neuesten technischen Errungenschaften benutzt. Überdies sehe ich mit dem Gerät, das an einen Zigarettenhalter aus den zwanziger Jahren erinnert, ziemlich lässig aus. Jede und jeder will wissen, wie das Teil funktioniert, und am liebsten mal probieren. Das würde ich aber wegen der Feuchtigkeit des Mundstücks nur meiner Tochter erlauben, denn Keime sollten in der Familie bleiben. Meiner Tochter würde ich natürlich Kamillentee ins Mundstück füllen, das geht nämlich auch.
Bei einer E-Zigarette entfallen die Giftstoffe, die beim Verbrennen des Tabaks entstehen, denn es wird nichts verbrannt. Was bleibt, ist das Nervengift Nikotin, aber deshalb rauchen wir ja. Als schwer abhängiger Raucher kämpfte ich bei bisherigen Entwöhnungsversuchen mit starken Entzugserscheinungen – Schlafstörungen, Aggressionen, Konzentrationsschwierigkeiten. Mit der ­E-Zigarette habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass es auch für mich einen Weg raus aus dem stinkenden Kleiderschrank gibt. Und dieser Weg ist nicht teuer, das Starterset kostet um die 60 Euro, die Liquids sind im Vergleich zu Zigarettenpackungen spottbillig.

Bei der Auswahl besteht jedoch ein Luxusproblem: Es werden Hunderte Liquids mit mehr oder weniger Glycerin und Nikotin sowie Vanille, Kirsche, Mocca und was weiß ich für Geschmacksrichtungen angeboten. Tatsächlich gibt es auch Liquids ganz ohne Nikotingehalt für Raucher, die sich nur nach dem Ritual sehnen. Die Liquids lassen sich ausschließlich online bestellen. Ich wünschte, es gäbe einen Liquid-Store, wo man zum Käffchen verschiedene Liquids probieren könnte. Leider operieren die E-Zigarettenhändler in Deutschland in einer rechtlichen Grauzone, die Bundesregierung ist unschlüssig, ob sie das Gerät verteufeln oder propagieren soll. Die chinesischen Tüftler, die das oben erwähnte Erfolgsmodell konstruieren, sind damit konkurrenzlos in einem Zukunftsmarkt, der mehr Umsatz als der Transrapid verspricht.
Würde die E-Zigarette steuerlich gefördert, verschwänden Berge an Kippen und Raucherhustenauswurf. Vielleicht würde auch annähernd eine Zukunftsversion wahr, die ich als Junge in dem Science-Fiction-Roman eines ostdeutschen Autors las, dessen Namen ich ebenso wie den Titel des Buches vergessen habe. Ich zitiere sinngemäß aus meinen Erinnerungen: »Der Kommunismus hatte gesiegt, in den USA kämpften die letzten Imperialisten auf verlorenem Posten. Ein Pärchen stand rauchend an der Reling, blickte übers glitzernde Schwarze Meer, bald würden sie in Odessa landen. Sie warfen die Stummel der schon lange nicht mehr schädlichen Zigaretten ins Meer, wo sich die Kippen rückstandsfrei auflösten. Dann küssten sie sich.«