Ein Gesetz findet sich schon

Die Anhänger der Tea-Party-Bewegung gelten nicht als weltläufig. Das hat auch Vorteile, denn ihnen dürfte entgehen, dass der ungarische Ministerpräsident Victor Orbán eine Idee hatte, auf die nicht einmal Sarah Palin gekommen ist. Er möchte seine Vorgänger hinter Gitter bringen, weil sie Schulden gemacht haben. Ein Gefolgsmann Orbáns, der Fidesz-Abgeordnete Péter Szijjártó, sagte der Presse am Montag, dass »der zuständige Parlamentsausschuss prüfen soll, ob und wie es die geltenden Gesetze erlauben, diejenigen zu identifizieren, die verantwortlich für das ungarische Haushaltsdefizit sind, und ob man sie dafür zur Rechenschaft ziehen kann«. Sollte sich kein passendes Gesetz finden, werde man eben eines verabschieden. Schließlich verfügt die meist als rechtskonservativ oder rechtspopulistisch bezeichnete Regierungspartei Fidesz über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.
Dass eine Handlung nicht rückwirkend zur Straftat erklärt werden kann, gehört zu den grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaats. Doch ungern kritisiert man den Ungarn, obwohl vorangegegange Maßnahmen, unter anderem die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch ein restriktives Mediengesetz und die Entlassung von 550 bei staatlichen Medien beschäftigten Journalisten, belegen, dass es nicht nur um rechtspopulistische Narreteien geht, sondern die Orbánisierung das Land zu einer »gelenkten Demokratie« ohne relevante Opposition machen soll. Man sollte jedoch meinen, dass den EU-Politikern nun wenigstens der Gedanke kommt: »Das könnte auch mich treffen.« Die ungarische Staatsverschuldung beträgt derzeit 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Deutschland sind es etwas mehr als 83 Prozent, in Großbritannien und Frankreich liegt die Quote kaum niedriger. Nach Orbáns Regeln gehören die dafür verantwortliche Politiker ins Gefängnis, die ehemaligen japanischen Premierminister, die eine Schuldenquote von 225 Prozent hinterlassen haben, würde der Donau-Taliban vermutlich vierteilen lassen. Johannes Hahn, der österreichische EU-Kommissar für Regionalpolitik, ist nun »besorgt« über Orbáns Pläne, aber dabei wird es wohl bleiben, denn die beiden sind Parteifreunde. Hahns ÖVP und Orbáns Fidesz gehören zur Europäischen Volkspartei. Von der EVP, die als Zusammenschluss konservativer Parteien gilt, war bislang kaum Kritik an Fidesz, geschweige denn die Forderung nach einem Ausschluss zu hören. Die Bundesregierung wurde von Orbán ausdrücklich gelobt: »Von der deutschen Seite habe ich keine Regung vernehmen können, die wir als Eingriff hätten interpretieren müssen.« Unbotmäßige Kritik muss Orbán wohl auch nicht fürchten, wenn er in Ungarn die Zwangsarbeit einführt. Wer länger als 90 Tage arbeitslos ist, soll zu Bauarbeiten zwangsverpflichtet und unter Polizeibewachung kaserniert werden.