Mordrekord

Zunächst war es der erst 14jährige Edgar Jiménez Lugo, der für die Grausamkeit des mexikanischen Drogenkriegs stand. Der vierfache Mörder, der für das Süd­pazifik-Kartell arbeitete, wurde vorige Woche als Minderjähriger nur zur Höchststrafe von drei Jahren verurteilt. José Antonio Acosta Hernández, genannt »El ­Diego«, der am Freitag vergangener Woche gefasst wurde, dürfte nicht so leicht davonkommen. Die Vorwürfe der Anklage klingen unfassbar. Hernández soll für 1 500 Morde verantwortlich sein, zu seinen Opfern gehören Mitarbeiter des US-Konsulats in Ciudad Juárez und ihre Familienangehörigen, Bundespolizisten und zahlreiche Mitglieder rivalisierender Banden. Als grausamer Höhepunkt seiner Karriere gilt ein Massaker Anfang 2010 in Ciudad Juárez, bei dem er die Ermordung von 15 Jugendlichen auf einer Geburtstagsparty anordnete.
Der 33jährige Anführer der Gruppe »La Linea« steht in Diensten des Juárez-Kartells, das zu den mächtigsten Organisationen im mexikanischen Drogenkrieg gehört. Er war bereits seit Jahren auf der Fahndungsliste der mexikanischen Behörden, die ein Kopfgeld in Höhe von umgerechnet einer Million Euro auf ihn ausgesetzt hatten. El Diego ist mit Sicherheit ein Extremfall, aber keine Einzelerscheinung. Seit 2006 kamen 35 000 Menschen im mexikanischen Drogenkrieg ums Leben, und immer häufiger werden Zivilisten Opfer der Gewalt. Dies ist sicherlich auch auf den Strategiewechsel der Drogenkartelle zurückzuführen, denn mittlerweile wird ein Teil der Gewinne nicht mehr durch Drogenschmuggel, sondern Erpressung und andere kriminelle Aktivitäten eingestrichen. Dabei werden immer wieder illegale Einwanderer vor der Grenze zu den USA zu Opfern der Kartelle. Sie werden abgefangen und verschleppt, um von bereits in den USA lebenden Verwandten Lösegeld zu erpressen.
Einer Untersuchung des Internal Displacement Monitoring Centre zufolge sind bereits 230 000 Menschen vor den Folgen des Konflikts geflohen. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung stuft ihn mittlerweile als innerstaatlichen Krieg ein. Ob die »Kingpin Strategy« der mexikanischen Regierung, die systematische Verhaftung von Anführern wie El Diego, zur Zerschlagung der Kartelle führen wird, ist fraglich. Mit bisher mehr als 6 500 Toten scheint 2011 das blutigste Jahr in der Geschichte des mexikanischen Drogenkriegs zu werden.