Berlin Beatet Bestes

Engtanz ohne Matte

Berlin Beatet Bestes. Folge 108. The Teens: Gimme Gimme Gimme Gimme Gimme Your Love (1978). Von andreas michalke

In der sechsten Klasse waren alle Mädchen verliebt in Europas jüngste Popgruppe, die Teens. Die Berliner Band bestand aus fast gleichaltrigen Teenagern und hatte, wie Tokio Hotel heute, für jeden Mädchengeschmack etwas zu bieten. Lange Haare hatten die Teens allerdings alle. Auf unseren Klassenfeten, die im abgedunkelten Klassenraum stattfanden, wurde alles gespielt, was die Hitparade hergab. Ich interessierte mich zwar mittlerweile ausschließlich für Rock’n’Roll, aber ich liebte es einfach zu tanzen. Wie mein Kindertanz genau aussah, daran kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern, ich bin aber sicher, dass meine Versuche über das übliche Wippen vom einem Bein aufs andere hinausgingen. Wahrscheinlich war es ein rhythmisches »Sich-Reinschaffen« in den Song mit unheimlich viel Armewirbeln. Die Hormone taten ihr Üb­riges, um an die Mädchen unserer Klasse näher heranzurücken, und unsere Engtänze wurden ausgiebig und sehr eng getanzt. Verschwitzt, mit cola- und kartoffelchipsverklebten Mündern und Händen nahmen wir zum ersten Mal richtig Tuchfühlung auf, ohne dass auch nur einer unserer Jungs tatsächlich bei einer unserer Klassenkameradinnen Chancen gehabt hätte. Wir waren einfach zu jung, hatten keine Mofas und waren nicht die Teens. Unsere Aktivitäten mussten sich also heimlich entwickeln. Mit Francesca, einer italienischstämmigen Mitschülerin, machte ich »Füßeln«. Als sich unsere Füße zum ersten Mal zufällig streiften und Francesca ihren Fuß nicht wegzog, sondern später sogar ihr Bein gegen meines presste, konnte ich es nicht fassen. Ich bekam sofort eine Erektion. Bald sehnte ich die Stunden herbei, in denen ich wieder neben ihr sitzen und die Wärme ihres Körpers spüren würde. Ein ganzes Schuljahr lang wurde unsere gemeinsame Aktivität unter dem Tisch zu einer stillen, aufregenden Gewohnheit, bei der wir uns aber nie ansahen und nie miteinander sprachen. Offensichtlich spielte Francesca in einer ganz anderen Liga. Sie war laut und frech und körperlich bereits viel reifer als ich. Als ich sie, nach einem Schulwechsel, in der Neunten wiedertraf, war sie eine Punkette, die mit den übelsten Hamburger Schlägern rumlief.
Ganz hinten in unserer sechsten Klasse saßen zwei langhaarige Typen, deren Namen ich leider vergessen habe, die immer hinter der Schule rauchten. Irgendwie fand ich raus, dass sie in einer Band spielten und noch einen Sänger suchten. Kurzerhand bot ich mich an. Sie sagten zu, und wir trafen uns in ihrem Übungsraum in einem Bunker. Gleich der erste Song wurde zum peinlichen Fiasko. Das Lied »Smoke on the Water« hatte ich noch nie gehört. Die Jungs boten mir noch Zigaretten an (die ich schuldbewusst ablehnte) und wollten es gern weiter mit mir versuchen. Eine Bedingung hatten sie allerdings: »Ne Matte brauchst du natürlich noch.« Es blieb das letzte Mal.