Die NPD im Berliner Wahlkampf

Lösungswort »Adolf«

In vier Berliner Bezirksverordnetenversammlungen sitzt die NPD bereits. Bei den bevorstehenden Wahlen möchte sie in weitere einziehen.

Sie war zwar eine Woche zu spät dran, hatte dafür aber einiges vor: Am Wochenende eröffnete auch die Berliner NPD ihren Wahlkampf, schließlich nahen die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu elf der zwölf kommunalen Bezirksverordnetenversammlungen. Die Partei wollte in der Nacht vom Samstag auf Sonntag unter dem Motto »Kampf um Berlin – rote Nacht – Plakat-Aktion« Wahlplakate aufhängen. Auch die Hilfe von »Kameraden aus Böhmen« wurde angekündigt, diese seien »besonders kampferprobt«. 40 000 Plakate sollten in Berlin aufgehängt sowie ein Video für den Wahlkampf gedreht werden, für das die NPD einen nächtlichen Fackelumzug abhalten wollte.

Die Pläne wurden jedoch öffentlich bekannt. Aus einem Aufmarsch im Stil der SA wurde daher nichts, die Partei hängte auf herkömmliche Weise Plakate auf. Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt musste anschließend zugeben, dass am Wochenende lediglich 22 000 Plakate an Laternen angebracht werden konnten. Alle anderen Parteien hatten bereits ein Wochenende zuvor mit dem Plakatieren begonnen. Die NPD hängte während der vergangenen Woche lediglich vereinzelt Plakate in Treptow-Köpenick und Südneukölln auf.
Um den Wettbewerbsnachteil auszugleichen, sind Mitglieder und Anhänger der NPD offenbar dazu bereit, auf die schon im Landes- und Kommunalwahlkampf 2006 angewandten Methoden zurückzugreifen. Damals ereigneten sich unter anderem zahlreiche Angriffe auf Nazigegner. Am Donnerstag vergangener Woche griffen zwei NPD-Funktionäre in Neukölln drei Männer an, die ein Wahlplakat der Partei abgerissen hatten. Sebastian Thom und Julian Beyer, zwei bekannte NPD-Mitglieder, bedrohten die Männer zunächst. Beyer zog nach Polizeiangaben ein Messer, Thom sprühte einem 41jährigen Pfefferspray ins Gesicht. Die Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung gegen die beiden Nazis. Thom und Beyer sind gute Beispiele für die personellen Überschneidungen zwischen dem Berliner NPD-Landesverband und den »Freien Kräften«. Beide gehören zu den Neuköllner »Freien Kräften«, sind aber auch bei fast jeder NPD-Aktion anzutreffen.
Ohnehin kann man in Berlin, anders als in anderen Bundesländern, kaum zwischen nicht an eine Partei gebundenen »Freien Kräften« und Mitgliedern sowie Anhängern der NPD unterscheiden. In der Stadt rekrutieren sich beide aus demselben Personenkreis. So sitzen mit Sebastian Thom und Sebastian Schmidtke zwei Führungspersonen der »Autonomen Nationalisten« im Landesvorstand und befinden sich auf vorderen Plätzen der Landesliste der Partei. Auf den Kandidatenlisten für die Bezirksverordnetenversammlungen sieht es ähnlich aus.

In Friedrichshain-Kreuzberg wurde der aus Hamburg stammende ehemalige Bundesvorsitzende der DVU, Matthias Faust, aufgestellt. Auch im Berliner Bezirk Pankow befindet sich mit dem NPD-Landesvorsitzenden Uwe Meenen Parteiprominenz auf dem Spitzenplatz. Im Bezirk Spandau gab es die einzige wirkliche Überraschung. Spitzenkandidat ist dort der ebenfalls auf der Landesliste vertretene Hans-Ulrich Pieper. Der PR-Berater ist in der extremen Rechten Berlins kein Unbekannter. Er veranstaltete jahrelang das »Berliner Dienstagsgespräch«. Hier trafen die üblichen Redner des deutschen Rechtsextremismus auf CDU- und FDP-Politiker aus der zweiten Reihe. Viele der dort Auftretenden verband, dass sie Autoren oder Interviewpartner der Wochenzeitung Junge Freiheit waren. Beim »Dienstagsgespräch« in gutbürgerlichen Westberliner Ratskellern und Nobelhotels ging es überaus standesbewusst zu.
Das ist ein deutlicher Unterschied zum Personal und zur anvisierten Wählerschaft der NPD. Die Partei möchte sich im Wahlkampf sozial und antikapitalistisch geben. So fordert sie im »Landesaktionsprogramm 2011« unter anderem eine »Solidargemeinschaft für Berlin«, eine bessere Altersvorsorge und Rentensicherung, die »Stärkung der Kompetenzen und Eingriffsmöglichkeiten des Senats in die Wirtschaft«, »Unternehmerverantwortung statt Profitgier« und »Wirtschaftslenkung statt Kapitalismus«. Daneben gibt es auch Programmpunkte wie »Deutsch von Ahrensfelde bis Zehlendorf und von Tegel bis Köpenick« oder »Ausländerrückführung statt Integration«.
Welche Ideologie sie vertritt, zeigt die NPD aber nicht nur mit ihrem Programm. So findet sich in einer Wahlkampfzeitung der Partei ein Kreuzworträtsel. Das Lösungswort ist »Adolf«. Das Projekt »Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins« stellt deshalb bezüglich der NPD-Klientel fest: »Es geht diesen Wählern um ein Bekenntnis zur rechts­extremen Ideologie, dem sie mit ihrem Kreuz bei der NPD Ausdruck verleihen.« Dies zeige auch ein Blick in andere Bundesländer.
Für den Einzug in die kommunalen Bezirksverordnetenversammlungen reichen drei Prozent der Wählerstimmen. Die NPD hofft offenbar auf einen Erfolg in Pankow, Spandau und Friedrichshain-Kreuzberg. Seit der vorigen Wahl sitzt die NPD bereits in vier Bezirksverordnetenversammlungen. Über den Auftritt der NPD in den Gremien in Lichtenberg, Treptow-Köpenick, Neukölln und Mahrzahn-Hellersdorf schreibt das Projekt, das die Arbeit der NPD-Fraktionen dokumentiert: »Die NPD hat sich von ihrer Präsenz in den vier Bezirksverordnetenversammlungen mehr erhofft. Doch die kategorische Abgrenzung der demokratischen Parteien, das konsequente Ablehnen von NPD-Anträgen und die doch eher begrenzte öffentliche Aufmerksamkeit haben den NPD-Verordneten ihre Grenzen aufgezeigt. Zwei von drei NPD-Fraktionen sind im Laufe der Zeit zerbrochen, zwei Verordnete haben die Partei verlassen, die meisten NPD-Mandatsträger und Mandatsträgerinnen waren kaum in der Lage, sich in das kommunalpolitische Geschehen aktiv einzubringen.«

Dieses Resümee wird die NPD-Wahlkämpfer nicht daran hindern, Berlins Straßen in den kommenden Wochen unsicher zu machen. Mit besonders intensiven Aktivitäten ist in den letzten beiden Wochen vor der Wahl zu rechnen. Denn davor muss sich die Bundespartei auf den Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern konzentrieren. Dort will die NPD schließlich wieder in den Landtag einziehen.