Wo ist zu Hause?

Wo man lebt, ist heute weniger wichtig als noch vor der digitalen Revolution, so lautet eine beliebte These. Schließlich könne man auch in seinem Kuhkaff als einziger Straight-Edger dank bestimmter Internetforen mit Straight-Edgern in aller Welt Kontakt halten. Andererseits bezeugt der Boom, den Berlin seit einigen Jahren erlebt, dass man doch auch gerne dort wohnen möchte, wo es angeblich abgeht und das Leben pulsiert. Aber will man am Ende überhaupt da hin, wo es alle hinzieht? Ist es nicht fast schon wieder cool, in der Provinz auszuharren, um dort etwas auf die Beine zu stellen? Solchen Fragen versucht die neue Ausgabe der Testcard unter dem Titel »Access Denied. Ortsverschiebungen in der realen und virtuellen Gegenwart« auf den Grund zu gehen.
In der Hauptstadt selbst regiert längst schon wieder ein anderer Diskurs. Das Gespenst der Gentrifizierung geht um. Und man fragt sich in Kreuzberg wie in Friedrichshain, ob man linke, selbstbestimmte Räume überhaupt noch halten kann oder ob man nicht langsam aus der Stadt verdrängt wird. Die Testcard nähert sich den Folgen der Gentrifizierung in Texten und in diversen Gesprächsrunden an. Klare Ergebnisse gibt es nicht, dafür ist der Diskurs zu komplex. Aber diese Annäherung ist ungemein interessant, vielleicht gerade, weil vieles im Ungefähren bleibt. Um Musik, das eigentliche Feld der Testcard, geht es dieses Mal kaum. Jetzt muss erst einmal geklärt werden, wo man überhaupt noch leben kann, um weiter Musik machen zu können.

Testcard 20: Access Denied. Ortsverschiebungen in der realen und virtuellen Gegenwart. Ventil-Verlag, Mainz 2011, 294 Seiten, 15 Euro