Fit für den Turnschuh

Man kann den Unternehmern wirklich nichts recht machen. Jahrelang bemühen sich die Hersteller von Turnschuhen und Textilien, die ihre Waren vornehmlich an Jugendliche verkaufen wollen, mit aufwendigen Werbekampagnen um street credibility. Nun aber, da sie ihre street credibility ganz umsonst bekommen, haben sie wieder etwas zu Nörgeln. Die Riots in Großbritannien seien »eine absolute Katastrophe für eine Reihe von Marken. Seit dem Tag, an dem die Daily Mail und der Guardian das Bild eines vollständig mit Adidas ausgestatteten hoodie veröffentlichten, ist es eine massive Krise geworden«, urteilt der Marken- und PR-Experte Mark Borowski. Als hoodies bezeichnet man in Großbritannien Jugendliche, die auch dann ihre Kapuze überziehen, wenn es ausnahmsweise einmal nicht regnet. Da man auf diese Weise sein Gesicht vor den mehr als 4,2 Millionen im Land installierten Überwachungskameras verbergen kann, gilt das Tragen der Kapuze als Einstieg in die Kriminalität. In vielen Einkaufszentren ist es verboten. Wenn man sich gewaltsam Zutritt verschafft, spielt das allerdings keine Rolle.
Ein hoodie, der etwas auf sich hält, plündert markenbewusst. »Der Sommer wäre nicht perfekt ohne ein Paar neue Turnschuhe«, wirbt die Einzelhandelskette JD Sports. Diese Ansicht teilten die hoodies, die bevorzugt Läden von JD Sports aufsuchten, weil dort viel Markenware zu finden ist. Schließlich fordert Nike: »Just do it.« Sehr begehrt waren auch die Turnschuhe von Adidas, für die US-amerikanische Gangster-Rapper wie Snoop Dogg (veruteilt unter anderem wegen illegalen Waffenbesitzes) und Big Sean (derzeit angeklagt wegen sexueller Belästigung) werben. Nun aber heißt es: »Adidas verurteilt jede antisoziale oder illegale Aktivität.« Auf einmal wird behauptet, dass »ein solches Verhalten sich gegen alles richtet, wofür wir stehen«. Das ist aber leider nicht der Fall. »Hungerlöhne prägten den Arbeitsalltag der Näherinnen«, berichtete die Christliche Initiative Romero im Juni über einen Zulieferer von Adidas in El Salvador. Solche Probleme beschäftigen die hoodies offenbar nicht, auch sonst ließen sie wenig Anteilnahme für die Sorgen ihrer Mitmenschen erkennen. Mittlerweile ist sogar der Riot wirtschaftsliberal, ein von Konkurrenz- und Statusdenken geprägter Aufstand, bei dem man auf illegale Weise die ständig geforderte Konsumlaune auslebt. Fern jeglicher Solidarität und ohne Rücksicht auf die Folgen wird akkumuliert. Dass die Plünderer nur Konsumgüter anhäufen können, unterscheidet sie von den Bankern in der Londoner City. Doch folgt man in beiden Welten dem Wertesystem, das der Rapper 50 Cent propagiert: »Get Rich or Die Tryin’.« In anderer Weise als es der konservative britische Premierminister David Cameron geahnt hat, ist seine Vision von der »Big Society« Wirklichkeit geworden.