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Dass die Jungle World-Redaktion sich für ihre Nachbarschaft interessiert, konnten Sie an dieser Stelle bereits vergangene Woche erfahren. Als sich nun das Gerücht verbreitete, dass zwei Stockwerke unter uns neue Mieter renovierten, war die Neugierde daher groß. Da ­jedoch die wenigsten Kolleginnen und Kollegen das Treppenhaus je von innen gesehen haben – Unsportlichkeit wird gern durch die Benutzung des Fahrstuhls kaschiert –, begannen in den vergangenen Tagen die Spekulationen.
Die ersten Ideen verrieten viel über die ausgeprägte Fußfaulheit. Ein Discounter wäre gut, bei dem auf dem Nachhauseweg noch ein kurzer Einkauf erfolgen könnte. Andere Wunschnachbarn waren ein Coffee-Shop, der den langen Weg zur Hasenheide erspart, oder eine Eisdiele, die zumindest das Gefühl von Sommer aufkommen lassen könnte.
Das Auslandsressort formulierte mit strategischem Sachverstand den Wunsch nach einer Sushibar. Roher Fisch muss am Abend weggeworfen werden, und so könnte man auf dem Nachhauseweg haufenweise Delikatessen abgreifen, so das Kalkül.
Das Thema folgte mit einem pragmatischen Gegenvorschlag. Um körperlich mit den Kampfkünstlern unter uns mithalten zu können, müsste man über eine Jungle-Muckibude nachdenken, in der die verweichlichten Mitarbeiter ihre rückgebildete Muskulatur wieder aufbauen könnten. Auch das Inland setzte auf mitleidslose Offensive. Um den Kampfschreien etwas entgegenzusetzen, müsse ein Proberaum her – geräumig, trocken und günstig.
Diese Forderung löste wiederum blankes Entsetzen im Lektorat aus. Der Wunsch nach mehr Stille wurde hier mit dem Vorschlag eines gut sortierten Antiqua­riatslagers unterstrichen.
Wie es sich für ein modernes Feuilleton gehört, wurde dort das Augenmerk auf Feingeistiges gelegt: die Hornhaut an den Füßen. Deswegen wünschte man sich ein Wellnessangebot inklusive Fisch-Pediküre herbei (der Dschungel berichtete).
Letztlich fiel die Aufgabe, die Identität der neuen Nachbarn aufzuklären, dem einzigen Menschen ohne Fahrstuhlschlüssel zu: dem Praktikanten. Und so wurde das Faktotum der Redaktion dazu angehalten, doch mal ein wenig Licht in das Dunkel der Baustelle zu bringen. Die Wahrheit war ernüchternd: Ein Künstlertrio bezieht Atelierräume – still, freundlich, unspektakulär. Bis jedoch Bekanntschaft mit den neuen Nachbarn gemacht wird, muss es wohl erst Winter werden. Dann fällt der Fahrstuhl manchmal aus.