Hilfsorganisationen, Warlords und Jihadisten in Somalia

Land in Sicht

In Somalia müssen sich die Hilfsorganisationen mit Warlords und Jihadisten ­arrangieren – anders als im benachbarten Somaliland.

Vier Verteilungszentren für Wasser gibt es für die 560 Familien im Dorf Waaridad. »Jeder Haushalt erhält 45 Liter Wasser am Tag, etwa 7,5 Liter pro Person«, erklärt Ibrahim Harir Deria, der in Zusammenarbeit mit der NGO Oxfam die Hilfe koordiniert. Für die Versorgung aller Nutztiere reicht das zugeteilte Wasser nicht, aber es sichert das Überleben.
Waarida liegt nicht in Somalia, sondern in Somaliland. In welchem der beiden Länder man wohnt, kann derzeit über Leben und Tod entscheiden. Somaliland erklärte sich 1991, als der Bürgerkrieg begann, für unabhängig. Ein demokratischer Musterstaat ist hier nicht entstanden, es gibt ein kontrolliertes Mehrparteiensystem, im Familienrecht gilt eine gemäßigte Interpretation der Sharia. Doch seit Mitte der neunziger Jahre gab es keine Kämpfe mehr.
Auch Somaliland ist von der Dürre in Ostafrika betroffen, bereits im Februar bat die Regierung um internationale Hilfe. Mittlerweile aber nimmt das Land sogar Flüchtlinge aus Somalia auf, und in der vergangenen Woche kündigte der Regierungssprecher Abdullahi Mohamed Dahir an, man stelle den Hafen von Berbera für Hilfsorganisati­onen zur Verfügung und werde auch selbst Hilfsgüter nach Somalia liefern.
Das Engagement eines der ärmsten Länder der Welt ist nicht nur eine Blamage für die »internationale Gemeinschaft«, deren reichste Mitglieder sich zieren, die fehlende Milliarde für die 1,7 Milliarden Euro kostende Hilfsaktion aufzubringen. Es zeigt auch, dass der Bürgerkrieg und der Aufstieg der Jihadisten in Somalia keine unabwendbaren Schicksalsschläge waren. Während in Somalia dilettantische Militärinterventionen der USA, Äthiopiens und der Afrikanischen Union (AU) nur noch mehr Chaos stifteten, haben die Menschen in Somaliland ihre Probleme allein gelöst. Nicht nur ohne die Hilfe der Uno, sondern sogar gegen deren Willen, denn Somaliland wird seit 20 Jahren die Anerkennung als unabhängiger Staat verweigert.
Die am stärksten von Dürre und Hungersnot betroffenen Regionen Somalias werden von der Shabab-Miliz beherrscht. Die Jihadisten erheben auch derzeit noch Gebühren für den Zugang zu Wasser. Mit einer solchen »Besteuerung«, Zwangsrekrutierungen und anderen Menschenrechtsverletzungen haben sie »zur Hungersnot beigetragen«, urteilt Ben Rawlence von Human Rights Watch. Die Menschenrechtsorganisation veröffentlichte in der vergangenen Woche den Bericht »You Don’t Know Who to Blame«, in dem auch die von der »internationalen Gemeinschaft« unterstützte Übergangsregierung (TFG) kritisiert wird. Die Soldaten der TFG und der AU feuerten ebenso wie die Shabab-Milizionäre rücksichtlos Mörsergranaten in Wohngebiete. »Kollateralschäden gibt es nicht nur in Somalia«, kommentierte der Sprecher der TFG Abdi Rashid Aseed.
Es ist offensichtlich, dass die militärische Unterstützung der überwiegend aus Warlords und Islamisten bestehenden TFG nicht dazu beiträgt, ­Somalia zu stabilisieren und die Jihadisten zurückzudrängen. Überdies gibt es angesichts der Unabhängigkeitserklärung des Südsudan weniger Grund denn je, Somaliland weiterhin zu isolieren. Doch auch nach 20 Jahren des Scheiterns scheint die »internationale Gemeinschaft« ihre Politik nicht überdenken zu wollen.