Über den Antikapitalismus des spanischen Fußballers Javier Poves Gómez

»Man muss die Banken abfackeln«

Der spanische Fußballprofi Javier Poves Gómez beendet seine Karriere – weil ihm der Kapitalismus stinkt.

avier Poves Gómez, kurz Javi Poves, hatte erst kürzlich sein Debüt in der ersten spanischen Profiliga, der Primera División, gegeben. Am letzten Spieltag der vergangenen Saison war der Innenverteidiger im Auswärtsspiel seines Clubs Sporting Gijón bei Hércules Alicante in der 79. Spielminute beim Stand von 0:0 eingewechselt worden. Die Partie, die torlos endete, bot wenig Spannung: Gijón befand sich ohnehin im gesicherten Mittelfeld der Tabelle, während Hércules schon vor dem Spiel als Absteiger feststand. Doch es sollte der letzte Auftritt von Javi Poves als Fußballprofi werden. Obwohl er mit 24 Jahren das beste Fußballeralter noch vor sich hat, erklärte Poves vor zwei Wochen, gut zwei Monate nach dem Erstligadebüt, seinen Rückzug vom Profisport. In einem von der Deutschen Presseagentur verbreiteten Bericht hieß es, der junge Sportler habe seine Karriere angewidert von der Geschäftemacherei im Profifußball beendet.
»Fußball ist in Wirklichkeit eine Metapher für unsere derzeitige Welt. Alles beruht auf einer großen Täuschung«, wird der Fußballprofi zitiert. »Es ist alles nur tägliche Unterhaltung.« Poves misstraue den Medien und den Mächtigen in Politik und Wirtschaft. »Fußball soll nur die Menschen von der Realität ablenken«, wird der gebürtige Madrilene zitiert. »Es gibt im Fußball sehr viel Korruption, wie in jedem Sektor, in dem es um Geld geht.« Von den meisten seiner Berufskollegen sei er enttäuscht. »Fast keiner interessiert sich für seine Umgebung. Es ist frustrierend, dass kaum ein Fußballer mal ein Buch zur Hand nimmt.« Bei Sporting Gijon hingegen hält man eher Poves’ Haltung für seltsam. »Er war schon immer ein etwas komischer Junge«, sagte der DPA zufolge ein anonymer Funktionär des Clubs.
Während die in Deutschland zitierten Äußerungen Poves’ noch nach einem eher harmlosen Gemisch aus Leninschem »Opium für das Volk« und Korruptionskritik klingen, waren in spanischen Medien weitaus schärfere Formulierungen zu finden. So hatte er bereits Anfang Juni in einem Interview mit der asturischen Tageszeitung La Nueva España seine systemkritischen Ansichten dargelegt. Die spanische Protestbewegung der »Empörten« etwa beschreibt Poves als Medienerfindung, um die »soziale Misere, die es gibt«, zu kanalisieren. Dieses »Fünkchen« könne für das »System« nicht »gefährlich und unkontrollierbar« werden. Die »Bewegung 15. Mai« strebe lediglich »eine Katzenwäsche für das kapitalistische System, aber keine radikale Veränderung« an. Es könne nicht die »Lösung« sein, dass jemand statt 800 in Zukunft vielleicht 1 200 Euro verdiene. Vielmehr müsse »etwas viel Grundlegenderes« her.
In welche Richtung das gehen soll, erklärte Poves dem Internetportal La Información: Man müsse »die Banken abfackeln« und »Köpfe abschneiden«, so Poves. »Der Profifußball besteht bloß aus Geld und Korruption. Es handelt sich um Kapitalismus, und Kapitalismus ist der Tod. Ich will nicht Teil eines Systems sein, das darauf basiert, dass Leute Geld mit dem Tod anderer in Südamerika, Afrika und Asien verdienen.«
Poves hält sich selbst für »weder links noch rechts«. Er will jetzt ein neues Leben beginnen und viele Bücher lesen, an der Fernuniversität Geschichte studieren und die Welt bereisen. Schon während seiner letzten Profisaison hatte er sich für Fußballspieler eher ungewöhnliche Lektüre wie das Kommunistische Manifest, aber auch Adolf Hitlers »Mein Kampf« zu Gemüte geführt. Vieles von dem, was Poves sagt, klingt ziemlich wirr und heftig nach verschwörungsideologischer Globalisierungskritik.
Dennoch wirkt der Wuschelkopf irgendwie sympathisch. Anders als dem deutschen Wuschelkopf der siebziger Jahre, Paul Breitner, der damals für ein Foto vor einem Mao-Poster und einer aufgeklappten Peking Rundschau posierte, geht es ihm nicht um den »Radical Chic«. Poves’ Bankenkritik erinnert ein wenig an Éric Cantona. Doch im Gegensatz zu dem französischen Nationalspieler der frühen neunziger Jahre ist der Spanier kein international bekannter Superstar, der nach seiner aktiven Karriere ein neues Betätigungsfeld sucht. Vielmehr gibt er sein halbwegs gesichertes Auskommen als Profisportler für eine vage Zukunft auf. Zu welchen Ufern ihn sein neues Leben führt, ist ziemlich ungewiss.