Über französische Geschäfte mit Libyen und Syrien

Politthriller als Erfolgsserie

Die Beziehungen französischer Politiker zum libyschen Regime waren enger als ­bislang vermutet. Nicolas Sarkozy bemühte sich persönlich um die Geschäfte mit Muammar al-Gaddafi.

Es geht um Luxusvillen, Yachten und Privatjets, um führende Politiker, die mit einem dubiosen Unternehmer zusammenarbeiten, dessen Privatvermögen in Höhe von knapp 100 Millionen Euro sie unbesteuert ließen, und um ominöse Vermittlertätigkeiten bei Geschäften mit den Herrschern unter anderem Libyens, Syriens, Pakistans und Saudi-Arabiens. Die Geschichten würde genug Stoff für einen Kriminalroman oder einen Spionagefilm hergeben.
Um Fiktion handelt es sich nicht. Seit nunmehr einem Monat veröffentlicht die vom früheren Le Monde-Chefredakteur Edwy Plenel herausgegebene französische Internetzeitung Mediapart Ar­tikel und Dokumente über Geschäfte mit Staaten des Nahen und Mittleren Ostens und deren Nutzen für französische Politiker. Die Enthüllungen lassen auch die offiziell genannten Motive für das französische militärische Engagement in Libyen in einem etwas anderen Licht erscheinen.

Im Zentrum steht Ziad Takieddine, ein französischer Waffenhändler libanesischer Herkunft. Er widmete sich ursprünglich dem Wintersport, vor 1992 leitete er eine Skistation in den französischen Alpen. Offenbar unzufrieden mit seinem noch relativ geringen Vermögen, hat Takieddine später seine Kontakte in den arabischen Raum für die Vermittlung von Geschäften genutzt. Nach seinen eigenen Berechnungen für eine Bank, bei der er einen Kredit beantragte, beträgt sein Vermögen nunmehr 97,2 Millionen Euro. In Frankreich, wo er ansässig ist und über Besitz mit Wert von mehr als 40 Millionen Euro verfügt, bezahlte er zumindest von 2002 bis 2009 keinen Cent Steuern.
Seit dem 10. Juli veröffentlichte Mediapart eine Serie von Artikeln über Takieddines Tätigkeit. Offenbar erhält Mediapart Informationen aus Justizkreisen. Das Material ist umfangreich und wurde erst teilweise veröffentlicht, weitere Enthüllungen sind zu erwarten. Doch die bereits erschienenen Beiträge sowie die Faksimile-Dokumente und die für führende Politiker kompromittierenden Fotos genügen, um das politische Establishment in Verlegenheit zu bringen. So sieht man etwa Vertraute des Präsidenten Nicolas Sarkozy wie den früheren Innenminister Brice Hortefeux oder Jean-François Copé, derzeit Vorsitzender der Regierungspartei UMP und früher als Haushaltsminister drei Jahre lang auch für Steuerprüfungen zuständig, in kurzen Hosen vor der Villa oder auf der Yacht Takieddines posieren.
Einer der Staaten, zu denen Takieddine Kontakte vermittelte, war Libyen. Im Herbst 2005 bereisten Nicolas Sarkozy, sein persönlicher Referent Claude Guéant und Brice Hortefeux das Land. Ein solcher Besuch lag eigentlich außerhalb ihres Aufgagenbereichs, denn keiner von ihnen hatte etwas mit der Außenpolitik zu tun. Sarkozy war damals Innenminister, Hortefeux war als Staatssekretär für Städte und Gemeinden zu­ständig.

Kurz nach der Wahl Sarkozys zum Präsidenten im Mai 2007 wurden die Kontakte intensiviert, es erfolgte eine offizielle Einladung. Den Anlass zum Ausbau der Beziehungen lieferte die Freilassung von fünf bulgarischen Krankenschwestern und eines palästinensischen Arztes, die seit 1999 in libyscher Haft saßen, angeblich weil sie absichtlich das Aids-Virus in Bengasi verbreitet hatten. Doch schon damals wurde deutlich, dass das Engagement für die Freilassung der sechs unrechtmäßig Inhaftierten, das als Symbol einer neuen, »menschenrechtsorientierten« Außenpolitik gelten sollte, nur ein willkommener Vorwand war. Denn beim Besuch Sarkozys in Tripolis und Syrte Ende Juli 2007 wurden Verträge über die Lieferung eines Atomkraftwerks sowie von Kampfflugzeugen und weiterem Kriegsgerät unterzeichnet.
Eingefädelt hatte das Geschäft maßgeblich Takieddine, der mit dem libyschen Geheimdienstkoordinator Abdallah Senoussi verhandelte. Senoussi war in Frankreich bereits bekannt, da er dort im März 1999 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Im September 1989 stürzte eine Maschine der französischen Fluggesellschaft UTA über dem Niger ab, 170 Menschen starben. Auf das Flugzeug war ein Bombenattentat verübt worden, vermutlich weil das Gaddafi-Regime fälschlich glaubte, ein libyscher Oppositioneller sei an Bord. Senoussi, der auch ein Schwager Muammar al-Gaddafis ist, war – zu diesem Urteil kam das Geschworenengericht in Paris – maßgeblich daran beteiligt gewesen, den Anschlag zu organisieren.
Takieddine stand in direktem Kontakt zu Se­nous­si. Mehr noch, er gab in den Jahren 2007 und 2008 rund eine Million Euro für dessen Sohn Mohammed aus, der damals in London sein Unwesen trieb. Takieddine bezahlte Gerichts- und Detektivkosten, die fällig geworden waren, weil Mohammed Senoussi und ein Kumpan zwei Prostituierte in der britischen Hauptstadt zusammengeschlagen hatten. Die beiden Frauen zogen später ihre Klage zurück, weil sie Morddrohungen erhalten hatten. Ferner spendierte Takieddine Senoussi junior den Aufenthalt in einer Luxusvilla im Londoner Stadtteil Chelsea sowie Spritztouren auf Yachten und mit teuren Autos.
Bei einem Treffen von Guéant, dem damaligen Leiter des Präsidialamts im Elysée-Palast, mit Takieddine, das Mediapart zufolge am 16. Mai 2009 stattfand, wurde erörtert, wie man Abdallah Senoussi trotz des Gerichtsurteils einen Aufenthalt in Frankreich ermöglichen könne. Takieddine wollte dem erkrankten Schwager Gaddafis die Möglichkeit eröffnen, sich in Frankreich medizinisch behandeln zu lassen. Doch Guéant blieb skeptisch, was eine Aufhebung des Urteils eines Geschworenengerichts betraf. Zuvor hatten libysche Regierungskreise im Herbst 2005 Kontakt zum französischen Anwalt Thierry Herzog auf­genommen. Herzog war damals der persönliche Anwalt Sarkozys – und ist heute, offiziell, der Rechtsbeistand des französischen Präsidenten. Es wurde debattiert, ob man das Urteil wegen »ausgebliebener Benachrichtigung des Verurteilten« revidieren lassen könne, doch blieben die Beratungen ergebnislos.

Takieddine soll auch persönlich von einem französischen Erdölgeschäft in Libyen profitiert ­haben, die entsprechenden Informationen hat Mediapart aber noch nicht veröffentlicht. Hin­gegen berichtete die Internetzeitung vergangene Woche, dass Takieddine und seinem damaligen Partner Hani Salaam 2008 von dem führenden französischen Ölkonzern Total angeboten worden war, ihnen einen Anteil am Syrien-Geschäft zukommen zu lassen.
Es war Takieddine, der den Staatsbesuch des syrischen Diktators Bashar al-Assad in Paris am 13. und 14. Juli 2008 einfädelte. Er organisierte auch den zweitägigen Besuch Sarkozys in Damaskus Anfang September 2008. Mediapart veröffentlichte zahlreiche von dem Waffenhändler verfasste Protokollnotizen dazu. Die Rede war damals auch von der Lieferung eines Atomkraftwerks und von Kampfflugzeugen.
Man ging bislang davon aus, dass Sarkozy sich im März besonders energisch für eine Militär­intervention in Libyen einsetzte, weil er hoffte, das langjährige Bündnis Frankreichs mit den Diktatoren und Autokraten der Region werde dann in Vergessenheit geraten. So sollte der französische Einfluss gewahrt und verhindert werden, dass eine Debatte über die frühere Politik die Beziehungen zu den neuen Regierungen trübt. Dass auch Gaddafi zuvor hofiert worden war, war bekannt. Nun stellt sich heraus, dass die Kontakte noch enger waren als vermutet und führende Politiker sogar darüber nachgedacht hatten, ob man einen verurteilten Terroristen rehabilitieren solle, um bessere Geschäfte mit Gaddafi machen zu können.