Über die Razzia bei einem Jugendpfarrer in Jena

Polizeiausflug nach Thüringen

Mit einer Hausdurchsuchung bei einem Pfarrer im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch in Dresden hat die sächsische Polizei für Empörung gesorgt.

Etwa 20 Beamte der sächsischen Polizei begaben sich in der vergangenen Woche ins benachbarte Thüringen. Dort durchsuchten sie die Dienstwohnung des Pfarrers Lothar König sowie das benachbarte Büro der evangelischen Jungen Gemeinde in Jena und beschlagnahmten einen Computer, Unterlagen und den Dienstwagen des Mannes, einen Kleinbus. König wird »aufwieglerischer Landfriedensbruch« im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch in Dresden am 19. Februar dieses Jahres vorgeworfen. Aus seinem Kleinbus heraus, der an dem Tag als Lautsprecherwagen diente, sollen den Vorwürfen der Dresdner Staatsanwaltschaft zufolge Demonstranten zu Gewalttaten gegen Sachen und Personen aufgerufen worden sein.

Die Empörung über die Durchsuchung war groß. Bei einer Solidaritätskundgebung für König versammelten sich noch am selben Tag etwa 600 Menschen in Jena. Der Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) kündigte an, auch im kommenden Jahr an den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch teilzunehmen. Thüringens Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) beschwerte sich darüber, dass die Thüringer Behörden nicht vorher über die Razzia informiert worden seien. Die Evangelische Landeskirche in Thüringen verurteilte das Vorgehen als »skandalös«, weil die Diensträume des Pfarrers ohne Rücksicht auf das Seelsorgegeheimnis durchsucht worden waren. Die Vizepräsidentin des Bundestags, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), reichte einen Fragenkatalog bei der Bundesregierung ein. Diese soll beantworten, ob die Durchsuchung rechtens war, ob das Berufsgeheimnis des Pfarrers gewahrt blieb und ob es üblich sei, dass die Polizei eines Bundeslands selbständig in einem anderen Land tätig wird.
Der Jugendpfarrer König ist über die Thüringer Landesgrenzen hinaus bekannt, er engagiert sich seit Jahren gegen Nazis, auch an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm und den Demonstrationen gegen die Castor-Transporte hat er teilgenommen. In den Medien wird er als »streitbare Persönlichkeit« dargestellt. Doch an den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft gibt es Zweifel. »Ein Geistlicher, über dessen Lautsprecher im Rahmen einer Demonstration zu Gewalttätigkeiten aufgerufen worden sein soll? Das kommt vielen Menschen zu Recht komisch vor«, heißt es etwa in einem Kommentar auf Zeit Online.
Die Dresdner Staatsanwaltschaft wird bereits seit Monaten vor allem wegen der Erfassung von Mobilfunkdaten während der Proteste im Februar (Jungle World 26/11) heftig kritisiert. Die Razzia bei König dürfte das Ansehen der sächsischen Behörden nicht gerade steigern. Die Staatsanwaltschaft verteidigte die Durchsuchung dennoch. In der Taz kritisierte ein Sprecher zudem die öffentlichen Reaktionen. Der Rechtsstaat sei bedroht, da Politiker und Medien mit ihrer Kritik an dem Vorgehen versuchten, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft dürfe der Strafprozessordnung gemäß bundesweit ­ermitteln, auch mit sächsischen Polizisten in anderen Bundesländern.

In der Leipziger Volkszeitung räumte der Sprecher der Staatsanwaltschaft jedoch ein, dass ein wei­teres Verfahren, das gegen König wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung laufe, höchstwahrscheinlich eingestellt werde. Dem 57jährigen Pfarrer wird vorgeworfen, mit 22 weiteren Personen eine »Antifa-Sportgruppe« betrieben und gezielte Angriffe auf Nazis in Dresden verübt zu haben. Der Tatverdacht habe sich nicht bestätigt, teilte der Sprecher mit.
Gegen die restlichen Beschuldigten wird weiterhin ermittelt. Sie wohnen zum Großteil in Dresden, sind zwischen 20 und 30 Jahre alt und bis auf eine Ausnahme männlich. Die Personen passen also besser als der Pfarrer ins Bild, das sich die Öffentlichkeit von gewalttätigen Antifa-Aktivisten macht. Wahrscheinlich sind deshalb Solidaritätsbekundungen für sie, anders als im Fall von Lothar König, bisher ausgeblieben.