Undress for Success

»Jesus loves sluts«, war auf einem Pappschild zu lesen. Der Zusatz »z. B. der Vatikan« warf schwerwiegende interpretatorische Fragen auf, aber himmlischen Beistand genoss der »Slutwalk«, der am Samstag in sechs deutschen Städten stattfand, in der Tat: Es war einer der wenigen regenfreien Tage dieses sogenannten Sommers. Demonstriert wurde für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, gegen die Verharmlosung von Vergewaltigung und gegen victim blaming. An der Notwendigkeit dieser Forderungen kann leider nach wie vor kein Zweifel bestehen. In welchem Maße die zahllosen Variationen des Hauptthemas »My dress is not a yes« dazu beitragen, das gesellschaftliche Problembewusstsein zu schärfen, ist weniger klar. Die »sexpositive« Ausrichtung der Slutwalks zeigte sich unter anderem darin, dass dem allgegenwärtigen »No means no« oft ein »Yes means yes« zur Seite gestellt wurde. Auch für die Rechte insbesondere migrantischer Sexarbeiter wurde auf dem Berliner Schlampenmarsch – dem mit rund 3 000 Teilnehmern größten – gestritten. Zur akzeptierten Meinungsvielfalt gehörte das ebenso wie die eher an Nazis und Taliban erinnernde Forderung nach Körperstrafen für Sexualverbrecher (»Castrate, then lock up«). Kontrovers war über den Umgang mit den Medien diskutiert worden. Blanke Frauenbrüste ziehen, so befürchteten viele, mehr Aufmerksamkeit auf sich als die Forderungen, die auf diesen Brüsten zu lesen sind. Aber warum Aufmerksamkeit aus fragwürdigen Gründen in diesem Fall schlechter sein soll als gar keine Aufmerksamkeit, leuchtet auch nicht ein. Bedauerlich ist freilich, dass die zahlreichen Männer, die sich aufwendig und meist androgyn bis transvestitisch herausgeputzt hatten, auf die ihnen nach Recht und Billigkeit zustehende Medienpräsenz weitgehend verzichten müssen. Für die deutsche Presse ist der Slutwalk reine Frauensache. Männer, so weiß man hier, interessieren sich nicht für sexuelle Befreiung, sondern für Tittenbilder.