Proteste gegen den Papst in Spanien

Benedikt sorgt für Empörung

Beim diesjährigen Weltjugendtag der katholischen Kirche in Madrid kamen nicht nur 1,5 Millionen Pilger und der Papst, sondern auch 20 000 Gegendemonstranten. Sie protestierten gegen die staatliche Unterstützung des Kirchenspektakels.

Fünf Tage lange war die Innenstadt voll mit Pilgern, auch die Puerta del Sol, der große Platz im Zentrum Madrids, der im Frühling über Wochen von der »Bewegung für echte Demokratie« besetzt worden war. Deshalb hatte es eine hohe sym­bolische Bedeutung, dass die Demonstration am Mittwoch voriger Woche unter dem Motto »Von meinen Steuern nichts für den Papst! Für einen laizistischen Staat!« doch noch bis zur Puerta del Sol gehen durfte. Dort trafen die etwa 20 000 Kirchenkritiker auf die Pilger, es begann ein verbaler Schlagabtausch. Zwischen den beiden Gruppen stellte sich ein Polizeikordon auf. Während sich die Pilger von der Polizei abdrängen ließen, trotzten die Kirchenkritiker den ersten polizeilichen Räumungsversuchen. Nach einigen Stunden erklärte der Einsatzleiter der Policía Nacional schließlich: »Genug mit diesen Schwulereien. Nehmt die Schlagstöcke und was ihr sonst noch braucht.« Er eröffnete eine Treibjagd auf die Demonstrierenden, die acht Festnahmen und zahlreiche Verletzte zur Folge hatte.

»Gefahr, der Papst kommt!« ist auf Transparenten zu lesen, die derzeit im Zentrum Madrids an ­einigen Balkonen hängen. Sie thematisieren die zahlreichen Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder in katholischen Einrichtungen in Spanien, außerdem den Widerstand der Kirche gegen Scheidungen, die Lockerung des Verbots von Abtreibungen und die Einführung der Homo-Ehe. Diese Gesetzesreformen hatte der regierende sozialdemokratische Psoe gegen die konservative, dem Klerus nahestehende Volkspartei (PP) durchgesetzt. An den monatelangen Protesten des nationalkatholischen Milieus gegen die Reformen hatten gegen Ende 2009 keine Kirchenoberen mehr teilgenommen. Die linksliberale Zeitung Público vermutete, dass Antonio María Rouco, der Kardinal von Madrid und Vorsitzende der Bischofskonferenz Spaniens, zuvor bei einem Treffen mit der stellvertretenden Ministerpräsidentin María Teresa Fernández de la Vega versprochen habe, sich mit Kritik an der Politik der Psoe-Regierung zurückzuhalten. Im Gegenzug habe diese ihre Unterstützung für den Weltjugendtag 2011 zugesichert. Dessen Kosten wurden damals bereits auf 50 Millionen Euro geschätzt. Die Regierung erklärte den Weltjugendtag und den Papstbesuch zum »Ereignis von besonderem Interesse«. Dadurch können Sponsoren 80 Prozent ihrer Spenden von der Steuer absetzen, zahlreiche große Firmen machten davon Gebrauch.

Aber seit Ende 2009 hat sich die Wirtschaftskrise in Spanien verstärkt. Die Arbeitslosigkeit ist mit 21,3 Prozent die höchste in der EU, unter Jugendlichen sind es sogar 45 Prozent. Die Kürzung der staatlichen Sozialleistungen zur Senkung des Staatsdefizits trifft die verarmten Bevölkerungsgruppen besonders hart, ebenso die Sparmaßnahmen in den Regionen. Während der Einzelfahrschein der Metro in Madrid dieses Jahr um 50 Prozent teurer wurde, können die Pilger für ein Drittel des Preises fahren. Die Regionalregierung plant eine Zuzahlung der Versicherten bei Gesundheitsleistungen, die Pilger werden hingegen umsonst behandelt.
Bereits Ende Juli hatte die kommunale Fraktion der Vereinigten Linken (IU) die versteckten Zuschüsse der Stadt und der Region Madrid für den Weltjugendtag, etwa die kostenlose Überlassung städtischen Geländes und den Sondereinsatz von Müllabfuhr und Polizei, öffentlich gemacht. Gruppen und Personen aus der im Frühjahr entstandene Bewegung der Empörten beteiligten sich auch am Protest gegen die staatliche Finanzierung des Weltjugendtages. Einige erklärten, ihr Protest richte sich nicht gegen den Papst, sondern nur gegen die vom Staat gewährten Privi­legien. Das ist nicht verwunderlich. Die Erklärung, die der Papst in Madrid zur Wirtschaftskrise abgab, hat Parallelen zum Manifest der Bewegung der Empörten. Vom Kapitalismus schweigen beide, dafür fordern sie eine strengere Moral. Eine kritische Debatte über diese Übereinstimmungen gab es bei den Empörten bis jetzt nicht.