Team Anna ist nicht käuflich

Vielleicht ist es das sanfte Strahlen des Nationalidols Mahatma Gandhi, das die Geduld der Inder erklärt. Jahrzehnte lang wurde Berichten zufolge die Korruption in den indischen Behörden immer schlimmer, am meisten leiden nach Angaben von Transparency International Empfänger von Sozialleistungen und Angehörige der »Unberührbaren« darunter.
Nun ist die Geduld am Ende: In den vergangenen Wochen hat sich eine Massenbewegung gegen Korruption formiert. Initiiert wurde der Protest vom kleinen 74jährigen Anna Hazare aus dem Bundesstaat Maharashtra. Er engagiert sich seit Jahrzehnten in indischen Gemeinden. Nach Korruptionsskandalen, die zwei Minister involvierten und außer Beschwichtigungen seitens des Premierministers Manmohan Singh keine Konsequenzen nach sich zogen, entschied sich Hazare, in Delhi in einen Hungerstreik zu treten. Mit wenigen Anhängern wollte der rüstige ehemalige Soldat so ein Gesetz gegen Korruption im öffentlichen Sektor erzwingen.
Was mit einer kleinen Aktion begann, wuchs in wenigen Monaten zu einer großen Bewegung, die die Regierung zunehmend unter Druck setzt. Singh versuchte, Hazare und seine Berater, von den indischen Medien »Team Anna« genannt, zu integrieren. Ein Gesetzesentwurf wurde mit Team Anna diskutiert. Doch beide Seiten konnten sich nicht einigen. Als Hazare vorige Woche ankündigte, abermals in den Hungerstreik zu treten, und seine Anhänger aufforderte, ihn in einem Park unweit des Parlaments zu unterstützen, nahmen Polizeibeamte ihn in Delhi fest – und schufen so auch international Aufmerksamkeit für die Anti-Korruptions-Proteste. Hazare erwirkte eine Freilassung ohne Auflagen und begann seinen Hungerstreik. Am vorvergangenen Wochenende gingen abermals Zehntausende Inder auf die Straße. Bei einer Demonstration in Delhi am Wochenende verkündete Kiran Bedi, eines der bekanntesten Mitglieder von Team Anna: »Anna is India and India is Anna.« Soziale Bewegungen kritisieren die mangelnde Diskussions- und Kompromissbereitschaft von Team Anna. Noch wird der Protest von der jahrelang politisch inaktiven indischen Mittelschicht getragen. Doch spürbare Veränderungen kämen auch den Millionen Landlosen, Indigenen und Unberührbaren zugute. Dass Anna Hazare ein neuer Gandhi werden wird, ist jedoch zu bezweifeln. Der erklärte Befürworter der Todesstrafe hat in der Vergangenheit zwar effektiv, aber autoritär Entwicklungsprozesse initiiert.