Umstrittene Publikationen des SPD-Politikers Mathias Brodkorb

Endstation Rechtsversteher

Der SPD-Politiker Mathias Brodkorb erhielt bisher viel Lob für seinen Einsatz gegen Nazis. Als Kämpfer gegen den Extremismus engagiert er sich mittlerweile aber auch für die vermeintlich bedrohte Meinungsfreiheit von Rechtskonservativen und Neurechten.

Von den Landtagsabgeordneten in Mecklenburg-Vorpommern, die sich am Wochenende zur Wahl stellten, ist der SPD-Mandatsträger Mathias Brodkorb sicher einer der bekannteren. Ein Vogel hat ihm bundesweite Aufmerksamkeit eingebracht: der schmalbrüstige Storch Heinar. Mit dem Maskottchen und der gleichnamigen Kampagne erwarb sich Brodkorb einen Ruf als Streiter gegen die NPD. Storch Heinar ist eine Persiflage auf die bei Nazis lange Zeit beliebte Modemarke Thor Steinar. Deren Betreiber klagten erfolglos gegen die Verwendung des Symbols. Der eigentliche Gewinner der Aus­einandersetzung war Brodkorb, der so als der Sozialdemokrat bekannt wurde, der den Rechts­extremen eine juristische Niederlage bereitete. »So intelligent kann Antifaschismus sein«, lobte die FAZ.

Spiegel Online erkannte sogar einen ganzen »Storch-Heinar-Kosmos«, den der umtriebige SPD-Landtagsabgeordnete geschaffen habe. Der Storch kam im gerade beendeten Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern wieder zum Einsatz, die Kampagne wurde auch nach Berlin exportiert. Doch Brodkorb hat sich nicht nur einen Vogel ausgedacht. Auch mit der Internetseite »Endstation Rechts«, die er gemeinsam mit Parteifreunden betreibt, betätigt er sich politisch – und das nicht nur gegen Nazis.
»Just in dem Jahr, in dem der demokratische Verfassungsstaat den 60. Geburtstag seines Grundgesetzes feiert – dem nicht ohne Grund das Konzept der wehrhaften Demokratie zugrunde liegt – empören sich einige darüber, dass eine demokratische Regierung in einem demokratischen Verfassungsstaat ein Programm gegen Anti-Demokraten auf den Weg bringen will«, schrieb er dort vor zwei Jahren an die Kritiker der Extremismustheorie gerichtet. »Endstation Rechts« rief im vergangenen Jahr zu »Extremismuswochen« auf, bei denen auch solche Kritiker zu Wort kamen. Eingeleitet wurde der Themenschwerpunkt aber mit einem Beitrag von Eckhard Jesse. Der an der Universität Chemnitz lehrende Politologe, der von dem Antisemitismusforscher Jens Rensmann und dem Historiker Wolfgang Wippermann zum Umfeld der sogenannten Neuen Rechten gezählt wird, beschäftigte sich auch auf »Endstation Rechts« mit seinen Lieblingsthema: »Die NPD und die Linke – ein Vergleich zwischen einer harten und einer weichen Form des Extremismus«.
Der Beitrag löste kurzzeitige Verwirrung in der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern aus. Nachdem Brodkorb versicherte hatte, dass er sich die Ansichten Jesses nicht zu eigen mache, waren die »Linken«, die auch in der Opposition mehrheitlich der Zeit nachtrauern, als sie in der Landesregierung Juniorpartner der SPD waren, schnell wieder beruhigt, zumal er die Mitglieder der »Linken«, bei deren Vorgängerpartei PDS er in den neunziger Jahren selbst Mitglied war, weitgehend vom Extremismusverdacht freisprach. Dafür wächst die Kritik von Antifa-Gruppen an Brodkorb. Die Aufrufe, die Zusammenarbeit mit ihm und »Endstation Rechts« einzustellen, häufen sich.

Denn Brodkorb bemüht sich bereits seit längerem, diejenigen Rechtsextremen zu verteidigen, die mit der NPD und ihrer offen zur Schau getragenen Ideologie aus Antisemitismus und Rassismus nichts zu tun haben wollen. In der Wochenzeitung Freitag trug der SPD-Politiker im Juli eine engagierte Verteidigung von Martin Böcker vor, dem Chefredakteur von Campus, der Zeitung der Bundeswehruniversität München. Dieser war kritisiert worden, weil er dort eine Debatte des neurechten Instituts für Staatspolitik (IFS) beworben hatte, das im Jahr 2000 im Umfeld der Jungen Freiheit gegründet worden war. Zudem wurde bekannt, dass Böcker selbst für Publikationen des IFS geschrieben hatte. Brodkorb bemängelte die fehlende Unterstützung der Leiterin der Bundeswehrhochschule, Merith Niehuss, für Böcker. »Schon aus Gründen der akademischen Selbstachtung hätte Niehuss den Chefredakteur wegen besagter Anzeige rüffeln können und ansonsten die Versuche von Medienvertretern und Politikern entschieden zurückweisen müssen, die geistige Freiheit in ihrer Institution beschneiden zu wollen. Oder weiß man heutzutage in einer Bundeswehruniversität nicht mehr, was Haltung bedeutet und dass Demokratie ohne Meinungsfreiheit und Meinungsstreit nicht zu haben ist?« echauffierte sich Brodkorb.
In einer Replik, die ebenfalls im Freitag abgedruckt wurde, kritisierte David Begrich den Sozialdemokraten scharf. »Seit einigen Jahren ist er in der Rolle des ›Neue-Rechte-Verstehers‹ zu sehen, der etwa im Fall des Campus-Chefredakteurs Böcker für die Meinungsfreiheit ficht«, schrieb der Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Magdeburger Vereins »Miteinander«. Damit trage Brodkorb zur »diskursiven Aufwertung« der neurechten Publizisten bei. Begrich bescheinigte seinem Kontrahenten zwar Verdienste bei der Differenzierung zwischen dem rechtskonservativen und dem nazistischen Milieu. Doch die Kritik an Brodkorb war deutlich. »Seine Inschutznahme neurechter Positionen unter dem Label des Konservatismus wertet ein politisches Milieu auf, in dem einem autoritären Dezisionismus das Wort geredet und die liberale Demokratie als dekadent denunziert wird.«
Kürzlich hat sich Brodkorb einem weiteren Thema gewidmet. »Singuläres Auschwitz? Ernst Nolte, Jürgen Habermas und 25 Jahre Historikerstreit«, lautet der Titel eines von ihm im Adebar Verlag herausgegebenen Sammelbandes, in dem so unterschiedliche Autoren wie Alan Posener, Heinrich August Winkler, Wolfgang Wippermann und auch Ernst Nolte selbst zu Wort kommen. Nachdem in der FAZ ein Vorabdruck des Beitrags des Rostocker Historikers Egon Flaig erschienen war, erhielt das Buch auch die gewünschte Aufmerksamkeit. Flaig sorgt sich in seinen Ausführungen um nichts Geringeres als die »deutsche Normalität«. »Dauerhaft bestehen – auch im europäischen Rahmen – kann das deutsche Volk nur als ein normales, nicht als ein stigmatisiertes. Die Normalität ist das Grundrecht jeder Generation auf Erden.« Doch dabei belässt er es nicht. »Die Deutschen sollten ein abnormales Volks sein. Abnormalität, als Dauerzustand, verhängt von moralisierenden Fanatikern? Kann das gut gehen?« fragte er.

Zwei von ihm ausgemachte »Fanatiker« nennt Flaig namentlich: Jürgen Habermas, dem er Methoden des »Lumpenjournalismus« unterstellt, und den Historiker Dan Diner. Diesem wirft er vor, Denkverbote erlassen und sich der »Sprache des moralischen Terrors« bedient zu haben. Flaigs Lamento über die »pestartige Virulenz der Political Correctness und des Gutmenschentums« ist seit langem auch von Rechtsextremen aller Altersstufen zu vernehmen. Brodkorb macht sich die Ausführungen von Flaig zwar nicht zu eigen, verschafft ihnen aber öffentlich Gehör. Erst durch die Publikation in dem von ihm herausgegebenen Sammelband wird ein Beitrag, der sonst in der Jungen Freiheit gelandet wäre, auch in Kreisen diskutiert, die bisher nicht so deutlich zu formulieren wagten, dass ein Philosoph, der sich des »Lumpenjournalismus« bediene, und ein jüdischer Historiker Deutschlands Normalität sabotiert hätten.