Ein Neonazi soll eine noch nicht fertiggebaute Moschee in Bergkamen angezündet haben

Sie hatten einen Kameraden

In Bergkamen soll Anklage gegen einen 23jährigen erhoben werden. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, Brandstiftung an einer im Bau befindlichen Moschee begangen zu haben. Der Tatverdächtige, der derzeit in Untersuchungshaft ist, war früher Mitglied der NPD.

Rund 430 Neonazis marschierten am 9. April durch Stolberg bei Aachen. Unter ihnen befand sich auch der 23jährige Björn M. aus Bergkamen. M. trug ein rotes T-Shirt mit der Losung »Anti-Capitalist always resist«, direkt vor ihm liefen Neonazis mit einem Banner, auf dem zu lesen war: »Antideutsche Zustände bekämpfen«. Einige Schritte hinter M. folgten »Kameraden« mit dem Transparent: »Multikulti ist Völkermord im Frieden«. Kurz zuvor hatte der NPD-Kader Manfred Breidbach gesagt, man befinde sich im Krieg, und Deutschland werde dereinst »im Glanze brennender Moscheen erstrahlen«. Gut vier Monate später soll M. auf der Baustelle einer Moschee gezündelt haben.

Der wegen eines Betrugsdeliktes unter Bewährung stehende Björn M. sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Dortmund wird ihn nach Abschluss der Ermittlungen wahrscheinlich wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung anklagen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist nahezu erwiesen, dass der Neonazi, der zeitweise auch der NPD angehörte, für die ihm vorgeworfenen Taten verantwortlich ist. Die Serie der Taten begann im Juli mit Bränden, die an Mülltonnen, -containern und Gelben Säcken gelegt wurden. Zudem soll der Verdächtige Baumaterialien auf der Baustelle einer Moschee in Brand gesetzt haben, wodurch der Innenraum und das Kuppeldach des Rohbaus stark verrußten. Auch in einem Wohnhaus, in das der 23jährige kurz zuvor eingezogen war, soll er gezündelt haben – an Türen von Wohnungen, in denen Migranten leben. Sympathischer hatte sich M. bei Aufnahmen für die Sendung »Lokalzeit« im WDR präsentiert, nämlich nicht als Brandstifter, sondern als Ersthelfer bei den Lösch- und Rettungsarbeiten in dem Wohnhaus. Allerdings gab es bei dieser Inszenierung Schönheitsfehler: Der junge Mann war in einem Pullover des Neonazi-Labels »Division 88« vor die Kamera getreten und hatte zugegeben, zeitweise der NPD angehört zu haben. Um Schadensbegrenzung bemüht, distanzierte sich daher der NPD-Kreisverband Unna/Hamm von dem Mann, der »einige Zeit unserem Kreisverband angehört« habe. Angeblich ist der Neonazi der NPD zufolge »weitgehend passiv und unauffällig geblieben.« Weiter heißt es: »Was er nun gestanden hat, reicht aber für uns, ihn aus der Gemeinschaft der NPD zu entfernen.« Man sei »kein Sammelbecken närrischer, alkoholisierter Krimineller«, sondern es handele sich bei den Parteimitgliedern um »Nationalisten, die sich ernsthaft und ehrenhaft für unser deutsches Volk und Vaterland einsetzen«.

Den verdächtigen Neonazi nennt der NPD-Kreisverband Unna/Hamm einen »Kriminellen«, für den »in unseren Reihen kein Platz« sei. Was die NPD noch halbwegs höflich umschrieb, sah ein Neonazi im Internetforum des internationalen Neonazi-Netzwerkes »Blood & Honour« anders – die deutsche »Division« von Blood & Honour ist wegen ihres aggressiv kämpferischen Auftretens und der Glorifizierung des Nationalsozialismus verboten. Der Kommentator befand Björn M., sei entweder »ein behinderter und ungebildeter Prollschädel« oder ein »Provokateur im Dienste des Feindes«, also ein Agent in einer Verschwörung des demokratischen Rechtsstaats gegen die Naziszene. Und weiter schreibt der Neonazi, dessen Forensignatur ein Hakenkreuz enthält: »Derartiger Dreck ist das Wort ›Kamerad‹ nicht wert, solche Idioten hätte man als erstes in ein Lager gesteckt.« Die »Antifa United« aus Unna veröffentlichte kurz nach der Festnahme des 23jährigen Fotos des mutmaßlichen Täters, die aus Antifa-Kreisen und sozialen Netzwerken stammen. Sie legen den Schluss nahe, dass M. nicht »weitgehend passiv und unauffällig« war. Auf einem Bild soll der Neonazi aus Bergkamen etwa Arm in Arm mit NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt bei einer Kundgebung in Bremen Ende April zu sehen sein. Interessant an den Versuchen der NPD, sich von ihrem zeitweiligen Mitglied Björn M. zu distanzieren, ist der Widerspruch zwischen Sein und Schein der neonazistischen Partei. Denn während die NPD in Westfalen ihr ehemaliges Mitglied am liebsten entsorgen will, steht der 23jäh­rige im Verdacht, zumindest ansatzweise das umgesetzt zu haben, was ein anderer NPD-Funktionär am 9. April den Teilnehmern des Naziaufmarsches in Stolberg eingebläut hatte.
Breidbach, stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Düsseldorf/Mettmann, führte in seiner Rede aus, dass es »einzelne Menschenrassen« gebe. Gewalttätigen Angriffen auf Deutsche und Deutschland müsse man ebenso gewalttätig entgegentreten, forderte der NPD-Funktionär. Politiker seien »Krawatten tragende Parasiten in den Parlamenten«, der »deutsche Kampfgeist« habe schon Napoleon aus dem Land hinausgetrieben. Auch Albert Leo Schlageter, ein Rechtsterrorist, der 1923 von den französischen Besatzungstruppen im Rheinland hingerichtet wurde und den die NSDAP als Märtyrer glorifizierte, habe sich auf seine Pistole und Sprengstoff verlassen, sagte Breidbach.

Dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Erdogan warf er vor, eine »Kriegserklärung« an das deutsche Volk abgegeben zu haben. Bei Erdogans Staatsbesuchen gelte es, ihn selbst, ansonsten aber auch alle türkischen Migranten aus dem Land zu werfen. Man wolle auch keinen Frieden mit dem Islam, nur weil »Kameraden« mit Islamisten gegen den »Hauptfeind unseres Volkes« kämpften – womit Breidbach offenbar auf Israel anspielte. Während die »multikulturelle Pest« regiere, ständen »arische Menschen mit dem Rücken zur Wand«, befänden sich im Krieg und müssten die »ideologische Brandfackel in das morsche Gebälk« der »Multikulti-Ideologie« schleudern. Breidbach sagte zudem, Muslime liefen dem »verkackten Propheten Mohammed« hinterher. Vier Monate nach dieser Rede zündelte dann offenbar einer der Kameraden und Zuhörer Breidbachs in Bergkamen. Hans-Jochen Voss, der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Unna/Hamm, der sich vom mutmaßlichen Brandstifter distanzierte, soll am 1. Oktober in Hamm bei einem von militanten Neonazis organisierten Aufmarsch als Redner auftreten. Neben Voß soll dort auch der unter anderem wegen »Bildung einer bewaffneten Gruppe« vorbestrafte Arnulf Priem aus Berlin sprechen – und Breidbach.