Der Film »500 Traumtore – Die besten Fußballtore der Welt«

Am Ende zählt nur das Ergebnis

Ist das so? Worum geht es eigentlich wirklich beim Fußball? Jürgen Kiontke sichtet »500 Traumtore – Die besten Fußballtore der Welt« und macht sich Gedanken über den wahren Sinn des Ballsports.

Auf ein Fußballspiel muss man sich vorbereiten. In meiner Mannschaft schieße ich die Freistöße. Was mache ich also am Abend vor dem Spiel? Im Internet Videos anschauen, die zeigen, wie man Freistöße schießt.
Beim Punktspiel am nächsten Tag gibt es aber keinen Freistoß. Nach dem Spiel gehe ich zum Grillen. Auf der Wiese ist ein kleiner Ball, fünf Meter weiter liegt das Baby im Kinderwagen. Das vegetative Nervensystem übernimmt die Kontrolle. Zack, bumm, Tor – das Kind hat keine Abwehrchance. Die Mutter rammt mir den Ellbogen in die Rippen. »Ich hab dich gewarnt«, zischt sie. Man soll nicht alles nachmachen, was man irgendwo sieht. Beim Fußball geht es darum, Widerstände zu überwinden und dafür einen Ellbogen in die Rippen zu kriegen.
»Worum geht’s beim Fußball?« fragt Fernsehmoderator Frank Buschmann auf der Drei-DVD-Kollektion »500 Traumtore – Die besten Fußballtore der Welt«. Und gibt gleich selbst die Antwort: »Um Tore.« Dann beginnt der Reigen: Tore von den sechziger Jahren bis heute, eine Zusammenstellung wie durch den Zufallsgenerator. Tore in Schwarzweiß, Tore in kurzen Hosen, Volley, Spann, Außenrist, Di­rektabnahme, Dropkick, Hacke und Picke. Tore per Kopf und Hintern. Tore von Brasilianern, Engländern, Italienern, Holländern, ein paar Deutschen. Keine Tore von Frauen. Maradona, dem die Verteidiger respektvoll Platz machen, indem sie umfallen wie die Kegel. Der 40-Meter-Knaller, der Fallrückzieher. Das ganze Instrumentarium. Überall auf dem Platz schießt man Tore, auch von der eigenen Eckfahne aus.
Warum 500? Ergibt 255 Minuten Material! Aus dem Archivmaterial des Weltfußballverbandes Fifa und der BBC wurde hier eine Compilation zusammengeschnipselt. Die Reihenfolge ergibt nicht immer Sinn – wen kümmert’s: Hier hat sich einer Mühe gemacht.
Während die Tore geschossen werden, lernt man ihre Urheber kennen. George Best war ein Filou. Wayne Rooney war teuer. Niemand schießt Freistöße wie Cristiano Ronaldo – außer Roberto Carlos und David Beckham. Eric Cantona stellt den Kragen auf. Bobby Charlton hat die beste Frisur. Am besten schießt man mit dem schwachen Fuß, dann konzentriert man sich mehr – und immer durch die Beine des Torwarts. Was machen eigentlich Torhüter beim Training? Bei den meisten Schüssen sehen sie schlecht aus. Sie springen in die falsche Ecke, bleiben stehen, verrechnen sich, fallen über die eigenen Beine. Der eine Mann hat den Ball, der andere guckt doof.
Haben sie wirklich das Gerd-Müller-Tor zum 2:1 im Weltmeisterschaftsfinale 1974 vergessen? Wo sind die Hand Gottes, das Wembley-Tor und das von Thomas Helmer, als der Ball an der Seite durchs Außennetz rollte und niemand auf Tor entschieden hätte außer dem Schiedsrichter, dessen Stimme aber nun mal ganz schön Gewicht hat?
Dafür gibt es viel vierte Liga aus England. Es drängt sich beinahe der Eindruck auf, englische Fußballspieler könnten Tore schießen. Ein Ausnahmetor ist das von Justin Fashanu, jenem Fußballprofi, der sich als schwul outete und dann Selbstmord beging.
Nein, es geht nicht nur ums Toreschießen beim Fußball, es geht um alles. Denn wenn die Stürmer, die die meisten Tore schießen, dauernd den Ball hätten, gäbe es kein Fußballspiel. Auch die anderen wollen das Leder. Und manch einer im Publikum liebt Fouls und rote Karten. Viele Trainer stellen nur einen Stürmer auf – was also wäre in solchen Fällen mit dem Rest? Die Erde ist eine Kugel, und Menschen lieben feste Regeln. 100 DIN-A4-Blätter im PDF-Format hat der Deutsche Fußballbund dazu auf seine Homepage gestellt. Da sind dann noch nicht die Bestimmungen für Schiedsrichter dabei.
Laut Angaben der Fifa spielen heute um die 265 Millionen Menschen in über 200 Ländern Fußball. Davon sind über 38 Millionen in 325 000 Vereinen organisiert. Aber worum geht es in Deutschland, wenn es um Fußball geht? Um ein Volkserziehungsprogramm. Allein in Deutschland sind sechs Millionen Menschen in rund 27 000 Fußballvereinen aktiv. Dabei ist Vereinsmeierei nicht mal was für alle: Ungefähr vier Millionen Menschen spielen in Hobby-, Betriebs- oder Thekenmannschaften.
Angefixt wird man schon in der Schule. Um die Situation und die Rolle des Fußballs im Sportunterricht, dem für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtenden Teil des Schulsports, weiter zu verbessern, sieht es der DFB als wichtiges Ziel an, Lehrkräfte für den Fußball zu begeistern und sie entsprechend zu qualifizieren. Dafür gibt es die Broschüre »Spielen und Bewegen mit Ball – Handreichung für das Fußballspielen in der Grundschule«. Sie bildet die Grundlage »für das ehrgeizige Ziel, in den kommenden drei Jahren 20 000 Grundschullehrkräfte fort- und weiterzubilden«.
Dazu kommt das laut Eigenaussage größte Projekt des DFB in seiner über 100jährigen Geschichte: Bundesweit sollen 1000 »Mini-Spielfelder« entstehen. Unter der Regie der Landesverbände und mit Hilfe der fachkundigen Mitarbeit der zuständigen Ministerien der Länder wurden die Standorte ausgesucht. Die Spielfelder sollen an Grundschulen gebaut werden. Mit einer Größe von rund 13 mal 20 Metern, umgeben von einer Bande mit integrierten Toren und ausgestattet mit modernem Kunstrasenbelag, sind sie die »Bolzplätze der Zukunft«.
Damit das alles klappt, hat der DFB gute Partner: Am 9. August 2011 verlängerten DFB und Mercedes-Benz ihre Kooperation bis 2018. Mit dieser Vertragsverlängerung bleibt der DFB »seinen wichtigsten Marketing-Grundsätzen treu: Produktexklusivität zu garantieren, Langfristigkeit der Verträge zu erreichen und damit Planungssicherheit und Kontinuität für sich und seine Partner zu gewährleisten«.
Oliver Bierhoff, Manager der Nationalmannschaft und ehemaliger Stürmer, wird für die Mercedes-Kommunikation arbeiten. Bundestrainer Joachim Löw ist künftig als Markenrepräsentant für Mercedes unterwegs. Der Autokonzern wird auf der Trainings- und Freizeitkleidung der Männer- und Frauen-Nationalmannschaften mit dem Stern und dem Namen des Unternehmens werben.
Bierhoffs größte Tat war übrigens ein Tor im Jahr 1996. Zu der Zeit galt die inzwischen wieder ausgesetzte Regelung des »Sudden Death« – nachdem Bierhoff in der Nachspielzeit getroffen hatte, war tatsächlich das Spiel zu Ende.
Wenn’s ansonsten mal wieder 0:0 steht, sind die DVDs mit den 500 Toren gut geeignet. Denn worum geht’s im Fußball? Um die Tore. Nein. Um den Ellbogen in den Rippen. Die Reihe lässt sich noch gut fortsetzen – nächste Folge: »Die 500 schönsten Fouls«.

500 Traumtore – Die besten Fußballtore der Welt. 3 DVDs, 255 min., Polyband 2011