Sommerferien in der Reagan-Zeit

Erst wenn man auf Long Island ist und den Alltag des New Yorker Großstadtlebens wie eine zu enge Haut abgestreift hat, ist man wirklich angekommen. Auf Long Island verbringt der wohlhabendere New Yorker die großen Ferien. So auch der 15jährige Ben und sein 14jähriger Bruder Reggie. Ben ist eine stille Bohnenstange, der zweite ein properer Faxenmacher. Unzertrennlich sind die beiden Kinder eines afroamerikanischen Ehepaares aus der gehobenen Mittelschicht.
Colson Whiteheads Roman »Der letzte Sommer auf Long Island« spielt im Jahr 1985. Seine Stilmittel sind stupender Detailreichtum und ein leicht nostalgischer Erzählton. Bereits die Frage »Erinnerst du dich?« hat ja etwas Melancholisches. Und der erwachsene Ben erinnert sich genau: an die richtigen Klamotten, an ­andere Familien, an Strandhäuser und Oldschool-HipHop, an den Job in der Eisdiele und den ersten Kuss.
»Der letzte Sommer auf Long Island« ist ein atmosphärisch dichtes Buch voller subtiler Beobachtungen. Ein Buch über Codes und Rituale, über symbolische Handlungen und sich rasch verschiebende Bedeutungshorizonte. Eher im Subtext erzählt Whitehead vom Rassismus der Ära Reagan und von familiärer Gewalt. Im Vordergrund steht die Liebeser­klärung – an einen geliebten Ort der Vergangenheit.

Colson Whitehead: Der letzte Sommer auf Long Island. Hanser, München 2011, 336 Seiten, 21,90 Euro