Die französischen Rechtsextremen hoffen, von der Krise zu profitieren

Es reichte nur für Falschgeld

Marine Le Pen, französische Präsidentschaftskandidatin des rechtsextremen Front National, hofft, von der Eurokrise zu profitieren.

Man kann Geld zum Fenster hinauswerfen, man kann auch Dollarnoten an ein Streichholz halten und anzünden. Milliardäre führen es mitunter vor laufenden Kameras vor. Und man kann Geldscheine in den Fluss werfen und versenken. Letztere Methode wählte der Front National (FN), als seine Vorsitzende Marine Le Pen am 6. September für ihre Partei das Ende der Sommerpause einläutete. Von einer Seine-Brücke im historischen Zentrum von Paris schütteten junge Aktivisten der Parteijugend (FNJ) den Inhalt mehrerer Behältnisse, die mit 500-Euro-Scheinen gefüllt waren, in den Fluss. Es handelte sich allerdings nicht um echte Banknoten. Zur selben Zeit stimmten nur einige Dutzend Meter von der Seine-Brücke entfernt die Parlamentsabgeordneten in der französischen Nationalversammlung über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms (EFSF) ab. Die Nationalversammlung bewilligte die Erweiterung, an dem durch den ESFS-Fonds finanzierten Hilfsplan für Griechenland wird sich Frankreich mit 15 Milliarden Euro beteiligen.

Mit der Aktion auf der Seine-Brücke sicherte sich der FN die Aufmerksamkeit der Medien. Was die Parlamentarier von der Regierungspartei UMP und der Sozialistischen Partei tun , sagte Marine Le Pen vor den Kameras, habe den gleichen Effekt wie die von ihren Jugendlichen vorgeführte Versenkung von Euro-Scheinen in der Seine: Die Milliarden seien rettungslos verloren. Für den Fall, dass sie im Mai 2012 zur Präsidentin Frankreichs gewählt wird, kündigte Le Pen an: »Kein Centime des von Franzosen erarbei­teten Geldes wird Frankreich verlassen dürfen!« Der rechtsextreme FN geht davon aus, dass sich die von ihm prophezeite »Implosion« der Einheitswährung der EU in den kommenden Monaten beschleunigen werde. Beim FN glaubt man, dass eine solche Entwicklung zum erhofften Wahlsieg beitragen könnte. Entsprechend erwartet die rechtsex­tre­me Partei weitere schlechte Nachrichten zur Euro-Schuldenkrise mit Vorfreude.

Am Wochenende nach der Aktion der Parteijugend veranstaltete der FN in Nizza die »Sommertage Marine Le Pen«. Diese neue Bezeichnung für die frühere »Sommerakademie« veranschaulicht den Personenkult, den der FN derzeit um seine Vorsitzende betreibt. Die 43jährige Präsidentschaftskandidatin konzentrierte sich in ihrer Rede auf die Forderung nach einer Law-and-Order-Politik und klagte über das »Versagen« der Rechtsregierung unter Nicolas Sarkozy auf dem Gebiet der »inneren Sicherheit«. Le Pen plädierte unter anderem dafür, dass »Wiederholungsstraftätern« lebenslang die Sozialleistungen gestrichen werden sollten. Sie sprach auch über Einwanderungspolitik und forderte die Einführung einer »préférence nationale«. Dieses Prinzip, bei dem Arbeitsplätze und Sozialleistungen ausschließlich denjenigen vorbehalten sein sollen, die einen französischen Pass besitzen, ist schon seit über 20 Jahren ein wesentlicher Bestandteil des Parteiprogramms des FN. Trotz des von ihr ausdrücklich erhobenen Anspruchs, die Partei zu modernisieren und zu »entdiabolisieren«, stellt Marine Le Pen dieses Prinzip nicht nur nicht in Frage, sondern bekräftigt diesen ideologischen Programmpunkt vehement. In Nizza rief sie ihren etwa 2 000 Zuhörern die Losung zu: »Die nationale Solidarität muss für unsere Landsleute reserviert werden.«

Bei der Veranstaltung konnte Marine Le Pen sich auch mit prominenten Unterstützern umgeben. Als Vorsitzender des »Unterstützerkomitees«, das im Vorfeld der Präsidentschaftswahl ihre Kandidatur stützt, präsentierte sich der Anwalt Gilbert Collard. Vor mehr als 20 Jahren war Collard im antirassistischen Milieu aktiv, schon damals wurde er für seine Geltungssucht kritisiert. In Nizza gab er werbewirksam bekannt, er sei »der Anwalt der Kinder von Izieu« gewesen – dabei handelt es sich um 39 jüdische Kinder, die 1944 aus dem Raum Grenoble in die Todeslager deportiert wurden. Diese hätten bei ihrem Abtransport patriotische Lieder gesungen, und deswegen finde er es schändlich, wenn heute die Nationalhymne missachtet werde. Mit Pathos in der Stimme erinnerte er an »den kleinen André«, der damals die Reise in den Tod habe antreten müssen. Collards pathetische Rede hatte allerdings einige Schönheitsfehler. Die Gedenkstätte für die Kinder von Izieu gab bekannt, dass es »überhaupt keinen André unter den betroffenen Kindern« gegeben habe, außerdem seien die Kinder von ihren Bewachern gezwungen worden, patriotische Lieder anzustimmen. Darüber hinaus sei es eine Lüge, dass Collard ihr Anwalt gewesen sei. Vielmehr habe er lediglich mit einer Gruppe von Anwälten am Prozess gegen den früheren Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, teilgenommen. Barbie war 1987 in Frankreich verurteilt worden, einer unter den vielen Anklagepunkten war auch die Deportation der Kinder. Collard sei jedoch nur einmal beim Prozess aufgetaucht, als besonders viele Kameraleute anwesend gewesen seien, um ein kurzes Plädoyer zu halten – ohne weitere Bedeutung für den Prozess als solchen.
Neben Collard wurden als neue prominente Unterstützer Marine Le Pens auch der frühere Bürgermeister von Nizza, Jacques Peyrat, und der frühere Europaparlamentsabgeordnete Paul-Marie Couteaux präsentiert. Letzterer gilt als nationalkonservativer EU-Skeptiker, der häufig auch als von »patriotischem« Pathos durchdrungener, notorischer Wirrkopf porträtiert wird.
Am gleichen Wochenende, an dem der FN in Nizza tagte, erregte Yves Bertrand Aufsehen, ein ehemaliger Chef der Renseignements Généraux, einer Art politischer Polizei, die mit den Verfassungsschutzämtern in Deutschland vergleichbar ist. Bertrand hatte in einem Interview für die Einbindung des FN in eine Regierungskoalition mit den Konservativen plädiert. Unter Marine Le Pen habe die Partei sich schließlich zum Besseren gewandelt, dem Extremismus und dem Antisemitismus abgeschworen. Kurz darauf veröffentlichte Bertrand ein Dementi, das gar nichts dementierte, sondern lediglich feststellte, Bertrand habe sich »nicht Marine Le Pen angeschlossen«, sondern ihr lediglich die Koalitionsfähigkeit attestiert.