Verschärfung der Abtreibungsgesetze in Mexiko

Gott schütze die Eizelle

Die Abtreibungsgesetze in Mexiko werden immer repressiver. Vergangene Woche scheiterte eine Klage dagegen vor dem Obersten Gerichtshof.

»Sexuelle Aufklärung, um entscheiden zu können; Verhütungsmittel, um nicht abtreiben zu müssen; legale Abtreibung, um nicht sterben zu müssen«. Unter diesem Motto fand am Mittwoch vergangener Woche in den lateinamerikanischen und karibischen Staaten der »Tag für die Entkriminalisierung der Abtreibung« statt. Menschenrechtsgruppen und Frauenorganisationen demonstrierten in vielen Städten. Amnesty International betonte, dass die Verhinderung des Zugangs zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch eine »gravierende Menschenrechtsverletzung« darstelle, da sie das Leben und die Gesundheit von Frauen bedrohe.
Ungeachtet dessen wies der Oberste Gerichtshof Mexikos am gleichen Tag die Klage gegen restriktive Abtreibungsgesetze in den Bundesstaaten Baja California und San Luis Potosí ab. Seit einer Gesetzesänderung gilt dort das »Recht auf Leben« für alle »Lebewesen« ab dem Zeitpunkt der Empfängnis – was im Umkehrschluss bedeutet, dass Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stehen. Die Entscheidung hat zu heftigen Diskussionen im mehrheitlich katholischen Mexiko geführt. Kritiker sehen den laizistischen Charakter des Staates in Gefahr und beklagen die Einflussnahme durch den konservativen Präsidenten Felipe Calderón, der kurz vor dem Urteil für den Schutz des »ungeborenen Lebens« plädiert hatte.

Eine Aussage von José Isidro, dem Bischof von Mexicali, der Hauptstadt von Baja California, hat die Diskussion zusätzlich angeheizt. »Fast hätten wir verloren, aber ein Anruf vom Papst hat alles verändert«, hatte er nach der Urteilsverkündung gesagt. Sowohl der Vatikan als auch die beteiligten Richter dementierten dies umgehend, Zweifel bleiben jedoch. Schließlich war die Verfassungsklage gegen die beiden regionalen Abtreibungsgesetze nur knapp und nach mehrtägigen Diskussionen gescheitert. Sieben der elf Richter stimmten am Schluss gegen die restriktive Norm, damit fehlte jedoch noch eine Stimme, um die Gesetze für verfassungswidrig zu erklären.

Noch vor drei Jahren hatte derselbe Gerichtshof das liberale Gesetz in Mexiko-Stadt bestätigt, das Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche gestattet. Bis heute ist die Hauptstadt aber der einzige Bundesstaat, in dem Schwangerschaftsabbrüche legal sind. Gegen diese Reform kämpft eine von Konservativen und der katholischen Kirche getragene Bewegung, die vielerorts eine Verschärfung der Gesetze durchgesetzt hat. In 18 der 31 Bundesstaaten ist mittlerweile der »Schutz des Lebens ab dem Zeitpunkt der Befruchtung« in den Regionalverfassungen verankert. Der Frauenrechtsorganisation Las Libres zufolge sitzen in mindestens elf Bundesstaaten Frauen im Gefängnis, denen Abtreibung und damit Totschlag vorgeworfen wird. Meist seien es Frauen vom Land ohne Zugang zum Gesundheitssystem, die wegen starker Schmerzen städtische Krankenhäuser aufsuchten und dann vom Personal angezeigt würden. Viele wüssten nicht einmal, dass sie schwanger seien, oder hätten eine Fehlgeburt erlitten. Manche wurden zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Nur nach Vergewaltigungen oder bei Gefahr für die Mutter kann mancherorts von einer Strafverfolgung abgesehen werden, medizinische Hilfe gibt es aber in der Regel auch dann nicht. Und das, obwohl in Mexiko offiziellen Angaben zufolge jährlich mehr als 120 000 Frauen und Kinder vergewaltigt werden, unabhängige Organisationen gehen sogar von 450 000 Opfern aus. Trotzdem wird oft sogar Kindern, die vergewaltigt wurden, der Schwangerschaftsabbruch verweigert. So musste voriges Jahr ein zehnjähriges Mädchen nach einer Vergewaltigung ihr Kind austragen.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofes könnte noch weitere Konsequenzen haben. Wenn jede befruchtete Eizelle bereits als »rechtliche Person« gilt, könnten bald auch bestimmte Verhütungsmethoden ebenso wie die Vorauswahl der Eizellen bei künstlichen Befruchtungen als »Mord« verfolgt werden, sagte der Rechtsanwalt Alejandro Madrazo Lajous, der die Kläger vertreten hatte.