Heimreise ins Gefängnis

Über die Gefährlichkeit des geschriebenen Wortes wurde Dogan Akhanli bereits 1975 belehrt. Er saß fünf Monate im Gefängnis, weil er an einem Kiosk eine linke Zeitung gekauft hatte. Der 1957 in der Türkei Geborene musste nach dem Militärputsch in den achtziger Jahren noch härtere Repression ertragen – Folter, Haft und erneute Verfolgung. 1991 floh er schließlich nach Deutschland. 20 Jahre lang hatte der Schriftsteller sein Herkunftsland nicht mehr betreten, als er im August vergan­genen Jahres die Einreise in die Türkei wagte. Seine Mutter war bereits während seiner Abwesenheit verstorben, und nachdem Akhanlis Vater schwer erkrankte, wollte er sich wenigstens von ihm verabschieden. Die Reise war riskant, schließlich war er 1992 aus­gebürgert worden und hatte in seinen Romanen scharfe Kritik an der Türkei und ihrem politischen System geäußert. Zudem war er der erste türkische Autor, der über den Genozid an den Armeniern schrieb. Akhanli war jedoch der Überzeugung, die politisch motivierte Repression der türkischen Justiz sei für ihn nur noch der Inhalt seiner Romane und Albträume.
Doch kaum war Akhanli am 10. August vorigen Jahres auf dem ­Istanbuler Fughafen gelandet, wurde er festgenommen und wieder von der türkischen Staatsanwaltschaft vor Gericht gestellt. Es folgten mehrere Monate in Untersuchungshaft. Der Vorwurf, er habe sich 1989 an einem tödlichen Raubüberfall auf eine Wechselstube beteiligt und einer linken Terrorgruppe finanzielle Hilfe geleistet, stützt sich ausschließlich auf zwei Zeugenaussagen, die bereits zurückgezogen worden sind, da sie Ergebnisse von Folter waren. So kam Akhanli im Dezember wieder auf freien Fuß, sein Vater war jedoch inzwischen gestorben. Der Menschenrechtler nutzte die wenigen Wochen, die er in Freiheit in der Türkei verbrachte, und stellte in ­Istanbul seinen neusten Roman »Fazil« vor, in dem er seine Foltererlebnisse in den türkischen Gefängnissen verarbeitet. Daraufhin wurde er im Januar offiziell aus der Türkei ausgewiesen. An den folgenden Verhandlungstagen seines Prozesses, der sich bis Oktober hinzog, konnte er somit nicht teilnehmen. Der vierte und letzte Verhandlungstag endete am Mittwoch vergangener Woche mit einem Freispruch. Dass Akhanli überhaupt nach 20 Jahren noch einmal Opfer der Gesinnungsjustiz der Türkei geworden ist, bestätigt ihn nur in seiner Kritik am türkischen Staatsapparat und darin, weiter zu kämpfen.