Herr Smutny

Als Frank Smutny in der Wiener Buchhandlung, in der er seine Ausbildung macht, die Erzählung »Bartleby, der Schreiber« in die Hände fällt, entschließt er sich, fortan nur noch das zu tun, was Melvilles Antiheld macht, nämlich nichts. Smutny, der gerade ausgelernt hat, arbeitet nicht mehr und hängt allein in seiner Wohnung rum. Er ist glücklich oder wenigstens nicht unglücklich. Will er allerdings nicht wie sein Vorbild den Hungertod sterben, muss er wieder was tun. Der österreichische Arbeitsmarktservice zwingt ihn zu einer mehrmonatigen Maßnahme im Callcenter eines Mobilfunkanbieters. Am Telefon meldet er sich stets mit den Worten »Sie sprechen mit Jean Améry, was kann ich für Sie tun?«
Schlicht, amüsant und reflektiert, aber niemals belehrend, erzählt der Wiener Politaktivist Kurto Wendt in seinem Romandebüt von den Abgründen der postmodernen Arbeitswelt. Smutny findet Freunde und Verbündete, rebelliert und kooperiert und ist wie sein Berliner Pendant Herr Lehmann ein Getriebener der gesellschaftlichen Verhältnisse.
Doch irgendwann muss er Position beziehen. Gegenüber seiner Chefin Doc Schneider, die ihn am liebsten dauerhaft in der Firma halten möchte. Gegenüber Calla, die ihn täglich anonym kontaktiert und ihm ein folgenreiches politisches Bekenntnis abverlangt. Am »Tag der Entscheidungen« beschließt Frank, »ganz passiv zu sein«. Und ­findet doch einen eleganten Seitenweg, es ­keiner der beiden Frauen recht zu machen.

Kurto Wendt: Sie sprechen mit Jean Améry, was kann ich für Sie tun? Milena Verlag, Wien 2011, 150 S., 16,90 Euro