Die Autobiographie eines CIA-Agenten im Iran

Der Spion, der die Mullahs nicht liebte

Reza Kahlili hat eine Autobiographie über seine Tätigkeit als Doppelagent bei den iranischen Revolutionswächtern geschrieben.

Kein Mensch vermag derzeit mit Gewissheit zu sagen, ob die Mitte Oktober öffentlich gewordenen Anschlagspläne auf den saudischen Botschafter sowie auf die saudische und die israelische Botschaft in Washington vom iranischen Regime oder nur von einzelnen Fraktionen der sich permanent bekämpfenden Rackets im Iran ausgegangen sind. Schnell wurde von ein paar der üblichen »Iran-Experten« in Deutschland und den einschlägigen Lobbyisten des iranischen Regimes in den USA jegliche Beteiligung Teherans ausgeschlossen. Dass auch Angriffe in den und gegen die USA zumindest eine Option für das Regime in Teheran darstellen, sollte jedoch außer Zweifel stehen.
Selbstverständlich wären die Anschläge mit dem Risiko einer militärischen Konfrontation sowohl mit den USA als auch mit Saudi-Arabien oder Israel verbunden. Aber genau darauf bereitet das Regime die iranische Bevölkerung immer unverhohlener vor. Hassan Rahimpour Az­ghandi, als Mitglied des »Höchsten Rates für die Kulturrevolution« ein wichtiger Ideologe des iranischen Regimes, dessen Reden regelmäßig nach der Freitagspredigt im Staatsfernsehen verbreitet werden, verkündete Ende September: »Wir müssen uns auf weltweite Operationen vorbereiten. Wir müssen uns auf einen globalen Konflikt vorbereiten. Alle, die im Geheimdienst und in subversiver Tätigkeit arbeiten, müssen bereit sein. (…) Die Front unseres Krieges befindet sich nun überall auf der Welt.«
Einer jener Exiliraner, die seit Jahren nachdrücklich auf die Gefahren hinweisen, die vom iranischen Regime ausgehen, ist Reza Kahlili, dessen Autobiographie über sein Leben als Agent der CIA bei den iranischen Revolutionswächtern (Pasdaran) nun auf Deutsch vorliegt. Kahlili hat in den USA studiert, kehrte nach 1979 voller Illusionen über die »Islamische Revolution« in den Iran zurück und landete über die Vermittlung eines Jugendfreundes als Computerspezialist bei den Revolutionswächtern, jener Elitetruppe, die sowohl für den »Revolutionsexport« und die Repression gegen die Opposition als auch für das Nuklearwaffen- und Raketenprogramm des Regimes verantwortlich ist. Doch schnell war er von der neuen Realität im Iran entsetzt: Seine Schilderungen von Steinigungen und aus dem Evin-Gefängnis ermöglichen einen Blick auf ein Grauen, vor dem jeg­liche Sprache versagen muss. Im Bewusstsein, dass die Iraner allein kaum gegen das neue Regime ankommen werden, entschließt er sich zu einer Agententätigkeit für die CIA und wird über Jahre einer der wichtigsten Informanten der USA. Schon Anfang der achtziger Jahre berichtet er ihnen von Atombombenplänen der Ayatollahs.
Ausgehend von seinem Insiderwissen illustriert er, dass Attentatspläne wie jener jüngst in den USA aufgedeckte für die Revolutionswächter alles andere als ungewöhnlich sind. Er berichtet von den zahllosen Anschlägen im Nahen Osten, die auf ihr Konto gehen und immer wieder auch direkt auf die USA zielten, sowie von der Freude der Revolutionswächter, als sie »die Zustimmung mehrerer europäischer Regierungen« bekamen, »die Opposition zu verfolgen, solange wir nicht die Sicherheit dieser Länder  (… ) gefährden«, was dazu geführt habe, »dass die Revolutionswächter Hunderte von ihnen in Europa und im Rest der Welt ermordeten«. Kahlili berichtet unter Verweis auf seine heute noch aktiven Quellen im Iran von Kontakten der Quds-Brigaden zu al-Qaida und deutet eine Verwicklung der Pasdaran in den Anschlag auf jene Pan-Am-Maschine an, die 1988 über Lockerbie gesprengt wurde.
Kahlili informierte die CIA nicht nur über Kontakte der Pasdaran zu islamistischen Terrorgruppen, sondern auch über ihre Verbindungen nach Nordkorea und China, zur PLO, der Japanischen Roten Armee und zur ETA sowie über sporadische Verbindungen zur RAF. Immer wieder berichtete Kahlili seinen Auftraggebern in den USA von den Aktivitäten eines Mannes: Ahmad Vahidi, dem langjährigen Geheimdienstchef der Revolutionswächter. Aufgrund seiner Verantwortung für den Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires 1994, bei dem 85 Menschen ermordet wurden, wird er bis heute von Interpol mit internationalem Haftbefehl gesucht. Präsident Mahmoud Ahmadinejad hat Vahidi 2009 zum Verteidigungsminister ernannt, was dadurch begünstigt wurde, dass seine Ernennung zum stellvertretenden Ver­teidigungsminister im ersten Kabinett von Ah­madinejad keine nennenswerten Proteste und keinerlei Konsequenzen seitens des Westens nach sich gezogen hatte. Die Abgeordneten des Majles, des iranischen Pseudoparlaments, wissen, was sie an diesem Mann haben: Als er 2009 im Majles bestätigt werden sollte, wurde er mit stehenden Ovationen und »Tod Israel«-Rufen begrüßt.
Kahlili schildert das im Iran-Irak-Krieg praktizierte Märtyrertum, bei dem iranische Jugendlichen als lebende Mienenräumkommandos zu Zehntausenden den Tod fanden, und er verdeutlicht, wie der eliminatorische Antizionismus des Regimes maßgeblich dafür verantwortlich war, dass dieser Krieg noch Jahre weiterging, nachdem die Eroberungsversuche Saddam Husseins bereits abgewehrt waren: »Khomeini und der herrschende Klerus drängten auf  (…) die Eroberung des Irak und die Einigung der Muslime in einem größeren, heiligeren Krieg gegen Israel.«
Kahlili betont, dass der Glaube an die Wiederkunft des Mahdis vom Regime keineswegs allegorisch gedeutet wird, sondern für seine Politik unmittelbare Bedeutung habe: »Sie glauben wirklich, dass der Islam eines Tages die Welt erobern wird«, schreibt er in seiner Autobiographie, in die sich leider einige Übersetzungsfehler eingeschlichen haben. So wird aus der »flag of Islam«, die der langjährige Pasdaran-General und spätere Präsidentschaftskandidat Moshen Rezaei schon in den achtziger Jahren »in all corners of the world« hissen wollte, »die Flagge des Iran«, was sowohl vor dem Hintergrund des antinationalen Charakters des Khomeinismus als auch angesichts der aktuellen Streitereien zwischen einem iranisch-nationalistischen und einem islamisch-religiösen Flügel im Regime ein bedeutender Unterschied ist.
Trotz seiner Tätigkeit für die CIA und seiner wiederholten Forderung, dass »der Westen« etwas zur Befreiung des Iran »tun muss«, macht sich Kahlili keine Illusionen über die Politik der USA. Er kritisiert nicht nur die langjährige Unterstützung des Schahs, sondern auch je­­ne von Suharto in Indonesien, Pinochet in Chile und der Mujaheddin in Afghanistan. Doch besonders empört er sich über die fortgesetzte Dialogbereitschaft der unterschiedlichen US-Regierungen gegenüber den Mullahs, die in den achtziger Jahren in der Iran-Contra-Affäre gipfelte. Scharf verurteilt er Barack Obamas Iran-Politik, von der von vorhinein klar gewesen sei, dass das iranische Regime sie »als Schwäche auslegen und sich angetrieben fühlen würde, noch radikalere Schritte zu unternehmen« Genau das ist seitdem passiert.
Kahlili lebt heute unter seinem falschen Namen in Kalifornien und ist zum Christentum konvertiert, was für die Apostatenjäger in Teheran ein weiterer Grund ist, ihm nach dem Leben zu trachten. Er formuliert explizit die Hoffnung, dass die USA »sich einschalten« werden, wenn es darum geht, jenen Gefahren zu begegnen, die vom iranischen Regime ausgehen und die er in seiner Autobiographie nochmals eindrucksvoll dargestellt hat. Die Schaffung eines »freien und demokratischen Iran« betrachtet er als einzig möglichen Weg »zu einem dauerhaften Frieden im Mittleren Osten«.

Reza Kahlili: Feind im eigenen Land. Mein Doppelleben als CIA-Agent bei den Iranischen Revolutionsgarden. Riva, München 2011, 400 Seiten, 19,99 Euro