Derya Esek* im Gespräch über die Schwierigkeit, einen Master-Studienplatz zu bekommen

»Wer sich am besten darstellen kann, gewinnt«

Die Modularisierung der Studiengänge sollte alles erleichtern. Mobilitätshemmnisse sollten verschwinden, lebenslanges Lernen sollte ermöglicht und die Vertiefung in Teilgebiete erleichtert werden. Stattdessen finden immer mehr Bachelor-Absolventen keinen Master-Studienplatz. Die Jungle World sprach mit einer mehrfach abgelehnten Studentin der Politikwissenschaft.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Bewerbung für einen Master-Studienplatz gemacht?
Meine Bachelor-Note war eigentlich sehr gut. Deswegen fing ich an, sehr an mir zu zweifeln, als sich die Briefe mit den Absagen stapelten. Die Anforderungen waren teilweise so hoch und die Zulassungsbeschränkungen so streng, dass in manchen Fällen nicht einmal die Jahrgangsbesten einen Platz bekamen. Irgendwann habe ich mir gesagt: »Nimm, was du kriegen kannst, ob es dich interessiert oder nicht.« Zum Glück bin ich dann im Nachrückverfahren doch noch in den gewünschten Studiengang gekommen.
Vor welche Probleme stellte Sie diese Situation?
Neben der persönlichen Ungewissheit, wie es nun weitergehen soll, hatte ich ganz praktische Probleme. Ich hätte nichts gegen eine Auszeit gehabt, aber wenn man von Bafög lebt, dann hängt man plötzlich in der Luft. In meinem Fall musste ich schnell etwas ohne Zulassungsbeschränkung finden, da ich sonst meine Hilfskraftstelle nicht hätte behalten können. Zudem wäre das Semesterticket entfallen und die Krankenversicherung wäre teurer geworden. Ich kenne sogar Leute, die Hartz IV beziehen, während sie auf einen Master-Studiengang warten, denn mit einem Bachelor einfach mal kurz ins Berufsleben einzusteigen, geht nicht. Auf dem Arbeitsmarkt hast du damit so gut wie keine Chance.
Im Gegensatz zu Ihnen haben viele keinen Platz bekommen. Wie wird die Situation unter Bachelor-Studentinnen und -Studenten aufgenommen?
Theoretisch gibt es derzeit nur für jeden zweiten Absolventen einen Master-Studienplatz, in einigen Bundesländern sogar nur für jeden fünften. Grundsätzlich heißt es immer: »Nächstes Jahr wird es noch schlimmer.« So etwas heizt die Konkurrenz zusätzlich an und erhöht den Druck, schnell fertig zu werden. Das Problem wird sich schließlich weiter verschärfen, wenn die Generation der doppelten Abiturjahrgänge und der Wehrpflichtsbefreiten erst einmal ihren Bachelor haben. Wenn man sich unter Bachelor-Studenten umhört, fühlen sich viele verarscht.
Mit der Verknappung von Master-Studienplätzen werden die Auswahlverfahren auch immer strenger. Wie lief die Bewerbung bei Ihnen?
Bereits im Vorfeld wurde ich bei den meisten Universitäten darauf hingewiesen, dass sie sehr begehrt sind. In einem Fall kamen auf 30 Masterstudienplätze 250 Bewerberinnen und Bewerber. Da hieß es dann, wer sich am besten darstellen kann, gewinnt. Schnell war klar, dass es nicht so sehr um theoretische Kenntnisse oder die bisher erbrachte Leistung geht. In erster Linie ging es darum, ob das persönliche Profil zum Stu­diengang passt. In mehrseitigen Motivationsschreiben sollte ich meinen persönlichen Einsatzwillen, meine Teamfähigkeit und die bisher erworbenen Kompetenzen unter Beweis stellen.
Das klingt fast nach einer Bewerbung für einen Managerposten in einem Unternehmen.
Die Verfahren unterscheiden sich nicht groß voneinander. Ich befürchte auch, dass demnächst Assessment-Center an Universitäten zur Normalität werden. Dann werden ehemalige Kommilitonen gegeneinander antreten, um zu testen, wer die Ellenbogenmentalität am besten verinnerlicht hat und in Stresssituationen den kühlsten Kopf behält. Das sind die »Softskills«, die das modularisierte Studium fordert und fördert.
Gibt es nicht einen Widerspruch zwischen der forcierten Ökonomisierung von Bildung und dem Mangel an Master-Studienplätzen?
Nur vordergründig. Der Konzeptionsfehler liegt in der noch fehlenden Akzeptanz des Bachelor-Abschlusses auf dem Arbeitsmarkt, denn eigentlich wurde der Bachelor im Bologna-Prozess zum Regelabschluss erhoben. Nach drei Jahren soll also ein Großteil der Absolventen ins Berufsleben einsteigen. Darum stecken die Universitäten einen Großteil ihrer knappen Mittel in den Bachelor. Den meisten Arbeitgebern ist das aber nicht genug, sie verlangen den Master-Abschluss.
Was wird im Rahmen des Bildungsstreiks gefordert, um mehr Studentinnen und Studenten den Zugang zu einem Master-Studium zu ermöglichen?
Die derzeit herrschende Bildungspolitik zielt auf der einen Seite darauf ab, Studentinnen und Studenten für den Arbeitsmarkt verwertbar zu machen. Gleichzeitig soll aber eine kleine, mit immer mehr Aufwand geförderte Elite ausgebildet werden. Master-Abschlüsse könnten in Zukunft nur noch für die Führungskräfte in der Wirtschaft und in der Wissenschaft gewährleistet werden. Im Rahmen des Bildungsstreiks wird diese Logik kritisiert. Ein erster Schritt zu ihrer Überwindung könnte die gesetzliche Verankerung des Rechts auf einen Master-Studienplatz sein. Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass Studentinnen und Studenten das Studium mehr als persönliche Bereicherung betrachten und dass sich die Empörung über fehlende Master-Studienplätze nicht auf die Forderung nach ökonomischer »Chancengleichheit« auf dem Arbeitsmarkt beschränkt.

* Name von der Redaktion geändert