Der Umbau des Militärhistorischen Museums in Dresden

Mit dem Keil auf andere zeigen

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden wurde wiedereröffnet. Nach einem Umbau verspricht die neukonzipierte Ausstellung einen neuen Blick auf die deutsche Militärgeschichte.

Das nunmehr größte Museum der Bundeswehr hat in den ersten Wochen nach seiner Wiedereröffnung in Dresden jede Menge Beifall erhalten – vor allem für das, was es nicht ist. Die Ausstellung sei keine altbackene chronologische Aneinanderreihung von Fakten, kein Rückblick auf die »schimmernde Wehr« (Welt Online), keine Waffen- und Technikschau und nichts für »Ballerfans« (Taz). Ohne Heldengeschichten eben. Selbst der Historiker Wolfgang Wippermann ist von der Ausstellung begeistert. Besonders positiv ist seiner Meinung nach, dass Täter nicht zu Opfern gemacht würden, wie er im Freitag feststellt. Wer sich an die Auseinandersetzungen um die Wehrmachtsausstellung erinnert, weiß, wie schwer sich die deutsche Öffentlichkeit damit tun kann, überhaupt Täter außer Hitler und der SS als solche anzuerkennen. Schwer fällt da das Eingeständnis, dass die Wehrmacht an den Verbrechen des Nationalsozialismus, am Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und am Holocaust einen erheblichen Anteil hatte. So erlaubte das Bundesverteidigungsministerium seinerzeit Angehörigen der Bundeswehr den Besuch der Wehrmachtsausstellung nur als Privatperson.
Etwa 15 Jahre später eröffnet die Bundeswehr nun selbst eine Ausstellung, in der unumwunden eingeräumt wird, dass der Überfall der Deutschen auf Polen den Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat. Auch vom ohnehin ramponierten Mythos der »sauberen Wehrmacht«, der sich unter dem einvernehmlichen Schweigen der deutschen Öffentlichkeit über Jahrzehnte halten konnte, hat sich die Armee verabschiedet: »Den moralischen Tiefpunkt ihrer Kriegführung erreichte die Wehrmacht (…) durch ihre mittelbare und unmittel­bare Beteiligung am Völkermord gegen die jüdische Bevölkerung«, heißt es in der Ausstellung.

Dass mit jenem Mythos endlich gebrochen wird, sollte jedoch nicht überbewertet werden. Einerseits, weil die Wehrmachtsausstellung und die gesellschaftliche Auseinandersetzung um diese bereits die öffentliche Wahrnehmung verändert haben. Andererseits, weil die Informationen zur deutschen Schuld und den deutschen Verbrechen in der Ausstellung in den Kontext der zweifelhaften Erkenntnis gestellt werden, dass Krieg irgendwie »menschlich« sei. Schließlich begleiten Schlachten, Eroberungen und Niederlagen den Menschen seit jeher, so die Botschaft gleich der ersten Ausstellungstafel. Eine in schwarzweiß gehaltene Videoinstallation im Eingangsbereich bricht diese anthropologische Behauptung auf die Begriffe »Love« und »Hate« herunter und lässt die Wörter in unzählbarer Menge über eine Wand wabern, wo sie gelegentlich menschliche Figuren bilden.
Der von Daniel Libeskind entworfene v-förmige Neubau durchbricht das Gebäude mittig und beherbergt den vieldiskutierten Themenparcours. Dieser eröffne neue Perspektiven, schreibt Wippermann, weil er Themen anspreche, um die Militärgeschichte normalerweise einen großen Bogen macht: »Leiden am Krieg«, »Tiere und Militär«, »Militär und Gewalt« oder sogar »Tod«. Insbesondere dieser Teil der Ausstellung rege zum Nachdenken an, versprechen etliche Feuilletonisten, auch wenn hier »harte Kost« (Welt Online) geboten werde.
Stellvertretend für alle Tiere, die im Krieg »missbraucht« wurden, stehen Tierpräparate auf einem Laufsteg. Sie befinden sich gegenüber dem Abschnitt »Leiden am Krieg«, der in einem kleinen schwarzen Würfel untergebracht ist. Das steinerne Grabkreuz eines unbekannten Soldaten, Briefe von gefallenen Wehrmachtssoldaten, das Foto einer Jüdin in Lemberg, das Video eines Soldaten mit einem schweren Nervenleiden, die Nachbildung eines durch Granatsplitter zerfetzten Gesichts und das Video einer anonymen Zivilistin auf der Flucht verschmelzen hier zum großen universellen Leiden. »In seiner letzten Konsequenz bedeutet Krieg die ständige Bedrohung des Lebens. Menschen töten und werden getötet. Der Tod ist allgegenwärtig«, erklärt eine Informationstafel. Erinnerungen, heißt es zum Thema »Erinnerung und Krieg«, »können Trauer und Schmerzen auslösen, aber auch das Erlebte ­verklären«. Die großzügige Verwendung solch sprachlicher Allgemeinplätze macht die Ausstellung zur Qual. Für manch aufgeklärten Zivilisten dürfte auch das propagierte Menschenbild – so wird unter der Überschrift »Formation und Körper« behauptet, »Geschlossenheit, Formation und Ordnung entsprechen menschlichen Grundbedürfnissen« – eine Zumutung sein.

»Dresden View« lautet der doppelsinnige Titel des dramaturgischen Endpunkts der Ausstellung. Man steht im vierten Stock des keilförmigen Baus, mit Blick auf die wiedererrichtete Altstadt. Dresden sah nicht immer so malerisch aus, das soll offenbar nicht vergessen werden. Die Spitze des Keils zeigt auf den Ort, an dem die Royal Air Force ihre Zielmarkierungen abgeworfen hatte, bevor britische Bomberverbände am 13. Februar 1945 in Keilformation Angriffe auf Dresden flogen. Diesen Bau hält auch Wippermann aufgrund seiner Symbolik für »missraten«, möchte diesen Ausrutscher aber vom Rest der Ausstellung unterschieden wissen. Womöglich hat auch ihn beeindruckt, dass im Ausstellungsbereich – aus Höflichkeit oder um sich gegen Relativierungsvorwürfe abzusichern – neben zerstörten Gehwegplatten aus Dresden auch welche aus der zerstörten polnischen Stadt Wielun und eine Statue aus Rotterdam liegen, beschädigt durch deutsche Bomben. Doch das ändert nichts daran, dass auch das Militärhistorische Museum den Dresdener Opferkult fortschreibt. Denn mit dem Bruch, für den der keilförmige Bau symbolisch steht, ist ganz offensichtlich nicht der Zivilisationsbruch von Auschwitz gemeint, nicht die kollektive Barbarei der deutschen Volksgenossen. Nein, die Spitze des Baus zeigt auf die »Verbrechen« der Alliierten. Das ist keine neue Perspektive auf die deutsche Kriegsgeschichte, es ist der alte deutsche Opfer-Plot, der den zeitgenössischen Umweg über die Anerkennung des universellen Leidens geht, um wieder ganz bei sich zu sein.