Der Bericht der IAEA über das iranische Atomprogramm

Warten auf die Bombe

Die Internationale Atomenergiebehörde hat erstmals bestätigt, dass das iranische Atomprogramm militärischen Zwecken dient. Die internationalen Reaktionen gleichen jedoch denen der vergangenen Jahre.

US-Präsident Obama steht laut einem Artikel aus dem Time Magazine trotz neuer Informationen über das Fortschreiten des iranischen Atomprogramms einem Militärschlag weiterhin ablehnend gegenüber. Auch der US-Verteidigungsminister warnte vor möglichen desaströsen Folgen, ein Angriff auf iranische Atomanlagen könne sich schnell in einen »katastrophalen Krieg in der ganzen Region« verwandeln und außerdem China und Russland gegen die USA aufbringen.
Allerdings drängten laut Time Magazine sowohl Israel als auch die arabischen Golfstaaten die US-amerikanische Regierung zu einem härteren Vorgehen, Israel drohe für den Notfall mit einem militärischen Alleingang. Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in den USA, Yousef al-Otaiba, befürwortete sogar öffentlich »einen Militärschlag trotz der negativen ökonomischen und militärischen Konsequenzen für sein Land«.

Die Zitate stammen aus einem Artikel, der im Juli vergangenen Jahres erschienen ist. Mit nur minimalen Änderungen könnte er nun, nach der Veröffentlichung des jüngsten Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), erneut erscheinen. Mit ermüdender Redundanz wiederholt sich die Geschichte: Kaum weisen neue Quellen darauf hin, dass der Iran trotz gegenteiliger Beteuerungen weiter an seinem militärischen Atomprogramm arbeitet, fordern Israel und die Golfstaaten ein härteres Vorgehen. Dann wird ein paar Wochen über schärfere Sanktionen oder einen möglichen Militärschlag diskutiert, mehr allerdings geschieht nicht. So geht es nun schon seit über einem Jahrzehnt, verlorene Zeit, die offenbar einzig der Iran zu nutzen versteht.
Es lägen, heißt es in dem am 8. November veröffentlichte Bericht der IAEA, unter anderem Hinweise vor, dass der Iran »Aktivitäten durchgeführt hat, die für die Entwicklung eines nuklearen Sprengsatzes relevant sind«, an der Entwicklung entsprechender Trägerraketen gearbeitet und außerdem weiterhin Uran angereichert habe. Diese Erkenntnisse stammen größtenteils aus westlichen Geheimdienstquellen, dürften den Regierungen der USA und der EU-Staaten also bereits bekannt gewesen sein. Wer sich jetzt überrascht gibt, tut dies aus politischem Kalkül.
Neu ist, dass diese Hinweise offiziell von der IAEA bestätigt werden, einer Behörde, die unter ihrem ehemaligen Vorsitzenden Mohammed al-Baradei jahrelang so zurückhaltend agierte, dass ihm in Israel nun Kollaboration mit dem iranischen Regime vorgeworfen wird. Bislang konnten sich vor allem Russland und China, enge strategische Partner des Iran, auf die IAEA berufen, wenn sie weitere Sanktionen blockieren wollten.
Ob der neue IAEA-Bericht für das iranische Regime irgendwelche negativen Konsequenzen zeitigen wird, ist zweifelhaft. Seit 2006 hat der UN-Sicherheitsrat schon vier Mal Sanktionen gegen den Iran verhängt. Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak sagte, nachdem die seit Jahren geäußerten israelischen Befürchtungen nun auch von der entsprechenden UN-Behörde bestätigt worden seien, gebe sein Land der »internationalen Staatengemeinschaft« eine letzte Chance, das iranische Atomprogramm mit zivilen Mitteln zu unterbinden. Andernfalls sähe man sich genötigt, gegebenenfalls im Alleingang die iranischen Atomanlagen anzugreifen.
Sowohl die französische als auch die deutsche Regierung beeilten sich umgehend, wie in den Jahren zuvor, jedwede Erwägung eines Militäreinsatzes scharf zu verurteilen, während die Regierungen Russlands und Chinas ankündigten, schärfere UN-Sanktionen gegen den Iran nicht zu unterstützen. Forderungen nach solchen UN-Sanktionen würden an einem Veto im Sicherheitsrat scheitern.

Die US-Regierung demonstrierte dagegen einmal mehr, dass bestenfalls pure Ratlosigkeit herrscht, nachdem Barack Obamas »Politik der ausgestreckten Hand« gegenüber dem iranischen Regime kläglich gescheitert ist. Hatte in den vergangenen Wochen der US-Kongress noch auf eine Sanktionierung der iranischen Zentralbank gedrängt, ein Schritt, der die iranische Wirtschaft wohl paralysieren würde, wies die Regierung diese Forderung der Los Angeles Times zufolge nun mit dem Hinweis auf negative Folgen für die kriselnde amerikanische und globale Wirtschaft zurück. Etwaige Pläne, das iranische Atomprogramm gegebenenfalls mit einem Militärschlag zu vereiteln, lehnte Verteidigungsminister Leon Panetta ab. Wie die USA ihr Versprechen einhalten wollten, eine iranische Bombe niemals zuzulassen, fragten zu Recht Autoren des konservativen Commentary Magazines. Sie kamen zu dem Schluss, dass sich Obama offenbar längst mit der iranischen Bombe abgefunden habe.
Allerdings erschien ausgerechnet im linksliberalen Guardian ein längerer Artikel, dem zufolge das britische Militär sich in Kooperation mit den USA auf einen Krieg mit dem Iran vorbereite. Auch in israelischen Medien wurden entsprechende Szenarien durchgespielt, nachdem die israelische Luftwaffe erst kürzlich in Italien Langstreckeneinsätze geübt hatte. Das iranische Regime drohte daraufhin für den Fall eines Krieges mit »fürchterlicher Vergeltung« und kündigte einen vernichtenden Raketenhagel auf Israel an, zeigt sich ansonsten aber wenig beeindruckt.
Vergleicht man die Reaktionen auf den jüngsten IAEA-Bericht mit denen vom Sommer 2010, so lässt sich kein Unterschied feststellen. Solange es nicht zu neuen Massenaufständen gegen das Regime kommt oder die »internationale Gemeinschaft« wirklich umfassende Sanktionen gegen den Iran verhängt und notfalls auch die Bereitschaft zeigt, militärisch zu intervenieren, wird sich daran wohl nichts ändern. Kein Grund also zur Beunruhigung, jedenfalls nicht für das iranische Regime. Oder doch? In der vergangenen Woche ereigneten sich zwei größere Explosionen auf Stützpunkten der Revolutionswächter nahe der Hauptstadt, zu den Todesopfern gehörte General Hassan Moghaddam, ein führender iranischer Raketenexperte. Überdies meldete die Teheran Times meldete, dass ein neuer Virus iranische Computersysteme befallen hätte.