Was tun, wenn es brennt?

Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als behauptet wurde, im Berufsleben seien soft skills wie Sensibilität und Hilfsbereitschaft gefragt? Das war natürlich nie der Fall, doch erschien es passend, den Eindruck zu erwecken, es gebe einen »Kapitalismus mit menschlichem Antlitz«. Der deutsche Wettbewerbsstaat kann sich jedoch auch vorgebliche Sensibilität nicht mehr leisten. »Ich weiß nicht, welche Ratgeberautoren und Kolumnenschreiber das erfunden haben«, klagt nun die Ratgeberautorin und Kolumnenschreiberin Uta Glaubitz bei Spiegel Online über den Mythos, es könne im kapitalistischen Berufsleben auch mal um etwas anderes gehen als um Niedertracht, Gier und Mobbing. Irreführend ist allerdings ihre Behauptung, der Mythos von den soft skills habe »Generationen von Bewerbern« dazu bewogen, »auf dem Weg in den Arbeitsmarkt Kieferschutz, Ellbogen und Sturzhelm zu Hause« zu lassen.
Tatsächlich dürfte die Verbreitung des Burnout-Syndroms nicht allein auf die gesteigerte Arbeitsintensität, Überstunden und die ständige Erreichbarkeit für Vorgesetzte auch nach Feierabend zurückzuführen sein. Aus dem alltäglichen Kleinkrieg gegen Vorgesetzte und Zumutungen des Arbeitslebens ist ein Kampf aller gegen alle geworden. Viele, vermutlich die meisten Lohnabhängigen haben das Konkurrenzverhältnis verinnerlicht. Andernfalls wäre es ja möglich, gemeinsam dem Chef zu sagen, dass niemand nach Feierabend noch einen Anruf von ihm entgegennimmt. Statistisch lässt sich die Betriebsklimakatastrophe schwer nachweisen, und auch die meisten Linken sprechen ungern darüber, dass die Bereitschaft zum Arbeitskampf nicht nur bei der Gewerkschaftsbürokratie, sondern auch bei vielen Beschäftigten fehlt. Doch in den achtziger Jahren war es noch üblich, dass Lehrlinge kollektiv krankfeierten. In den neunziger Jahren wurden vielerorts »Leistungslöhne« eingeführt, neben dem Grundgehalt wurden Prämien gezahlt. Gab es wegen der Prämienverteilung Streit unter den Kollegen, wurde eine Supervision angeordnet, der Unternehmer trat als Schlichter in einem von ihm selbst verursachten Streit auf. Eine ebenso perfide wie kluge Strategie, die allerdings Geld und wertvolle Arbeitszeit kostete. Es liegt also nahe, auch bei der Bewältigung innerbetrieblicher Konflikte Eigenverantwortung zu fordern. Schließlich kostet so ein Burnout-Syndrom das Unternehmen viel Geld. Die neue Botschaft, zu vernehmen auch in der Talkshow Frank Plasbergs, ist offenbar: Burnout? Selber schuld! Weniger jammern. Mehr leisten. Sich einen anderen Job suchen. Denn »an sich selbst kann man eher etwas ändern als am Arbeitsmarkt«, doziert Glaubitz. Da kann fast Sympathie mit den von ihr als Kritiker des Leistungsdrucks identifizierten Bahn-Attentätern aufkommen. Allerdings scheinen diese eher an einem Burndown-Syndrom zu leiden.