Rücktritt ohne Folgen

Ali Abdullah Saleh, Präsident des Jemen und seit 1979 im Amt, klebt nicht an seinem Job. Das hat er immer wieder betont, nicht erst seit Ausbruch der Proteste gegen ihn im Zuge des »arabischen Frühlings«. Er hat es all die Jahre nur nie geschafft, zurückzutreten oder nicht mehr zu kandidieren. So jemand überlebt noch den eigenen Rücktritt vom Präsidentenamt als Präsident. In den vergangenen Monaten kam er drei Mal einfach nicht dazu, in letzter Minute doch noch mühsam vom Golfkooperationsrat ausgehandelte Rücktrittsabkommen zu unterschreiben. Nach einem Anschlag im Sommer verbrachte er Wochen im Krankenhaus in Saudi-Arabien und niemand wollte noch glauben, dass er jemals in den Jemen zurückkehren würde. Aber er kam zurück, und nun hat er sogar das Rücktrittsabkommen unterschrieben. Oder er ist sozusagen schon dabei, er ist eigentlich schon fast … Gut, man wird ihm nicht vorhalten können, dass er auf Immunität vor Strafverfolgung bestanden hat. Und bis zu den Wahlen, die nun für Februar angesetzt sind, darf er sich weiter Präsident nennen, »ehrenhalber«. Die Übergangsregierung soll zur Hälfte aus seinen Getreuen bestehen und zur anderen Hälfte aus Mitgliedern der Oppo­sition, jedenfalls soweit sie von den Golfstaaten bezahlt wird.
Sein Sohn und die Neffen befehligen weiterhin die Präsidentengarde und diverse Sicherheitskräfte. Saleh hat nun eine Amnestie für alle verkündet, die in jüngster Zeit »Fehler« gemacht hätten. Nur diejenigen, die den Anschlag auf ihn unternommen haben, hat er davon ausgenommen. Aber eigentlich ist er sowieso kein Präsident mehr, der Amnestien verkünden könnte. Die Aktivisten des »Youth Movement«, die seit Monaten den »Change Square« in der Hauptstadt Sanaa bevölkern, haben dort als erstes wutentbrannt eine Bühne der islamistischen Islah-Partei gestürmt, die das Abkommen ebenfalls unterzeichnet hatte. Ihre Forderung war immer: Saleh muss weg, und zwar sofort! Einerseits ist die Spaltung der sowieso fragilen Opposition bereits absehbar, andererseits bekriegen sich mittlerweile Separatisten, Stammeskonföderationen, Schiiten, Salafisten, Gruppen von al-Qaida, abtrünniges Militär und Anhänger Salehs in diversen Konstellationen, was die Stabilität des Landes gefährdet. Mal sehen, wann wirklich ein neuer Präsident gewählt wird. Am Tag nach der Unterschrift des lächelnden Saleh gab es die nächsten Toten, als Soldaten wie üblich auf Demonstranten schossen. Saleh ist also zurückgetreten. Nur gemerkt hat das noch keiner so richtig.