Nach dem Arbeitskampf geht die US-Basketballliga weiter

Anpfiff unter Vorbehalt

Wenn alles klappt, wird in der NBA ab Weihnachten gespielt – vorausgesetzt, Spieler und Clubs können sich einigen.

Schon als die Dallas Mavericks am 12. Juni die NBA-Finals 2011 gewannen und Dirk Novitzki danach als wichtigster Spieler geehrt wurde, stand fest, dass die Basketballsaison 2012 wegen großer Differenzen zwischen Spielern und Liga gefährdet sein würde. Die Eigentümer der Teams und die Spielergewerkschaft standen vor der Verhandlung eines neuen Collective Bargain Agreement (CBA) und die Positionen waren derart unterschiedlich, dass eine schnelle Einigung äußerst unwahrscheinlich schien.
Für Sportfans in den USA waren das ganz schlechte Aussichten. Denn zugleich befand sich auch die NFL mit ihren Spielern im Arbeitskampf, zum Zeitpunkt des Siegs der Mavericks waren die Footballspieler bereits seit drei Monaten ausgesperrt.
Damit war die Saison bei zwei der drei beliebtesten Ligen in den USA gefährdet. Nicht einmal Experten wussten sicher zu sagen, ob überhaupt gespielt würde. Oder, falls die Spielzeit doch begänne, ob sie voll ausgespielt werden oder nur mit einem verkürzten Spielplan stattfinden kann.
Die Fans beider Sportarten hofften auf eine rechtzeitige Lösung. Die Schuld an der Misere sahen sie aber auf beiden Seiten gleichermaßen – bei den Ligen und den Spielern mit ihren Gewerkschaften. Im American Football herrschte Ende Juli große Erleichterung, es musste nur auf die Hälfte der saisonvorbereitenden Spiele verzichtet werden. Die Regular Season selbst konnte pünktlich und in vollem Umfang beginnen, große Änderungen erwarteten die Fans nicht. Im Basketball zog sich der Arbeitskampf allerdings bis Ende November hin – in der Saison 2011/2012 wird es daher pro Team nur noch 66 statt der ursprünglich geplanten 82 Ligaspiele geben. Begonnen werden soll zu Weihnachten – vorausgesetzt, das CBA ist bis dahin wirklich zur beiderseitigen Zufriedenheit ausformuliert und unterschrieben.
Dabei sind die Arbeitskämpfe im US-Sport durchaus interessanter als manches Spiel. Denn im Gegensatz zum vergangenen Jahrhundert ist es in den USA für die Spieler mittlerweile nicht mehr zweckmäßig, in den Ausstand zu treten, das Streikrecht bietet in einem solchen Fall viel zu wenige Möglichkeiten. Im Fall eines Streiks können die Arbeitgeber die streikenden Mitarbeiter nämlich einfach aus ihren Verträgen entlassen und arbeitswillige Kollegen einstellen. Klar, für den Sport bedeutet dies, dass die besten Spieler fehlen und Leute auflaufen würden, die es nicht schafften, einen Vertrag bei einem der großen Vereine zu erhalten. Aber wenn eine Liga bereit wäre, ein paar Abstriche bei der Qualität zu machen, gäbe es sicher genügend Interessenten, die den Sprung vom Collegefootball oder -basketball zunächst nicht geschafft hatten und eine zweite Chance dankbar annehmen würden. Und damit wäre dann auch schnell die Einigkeit der streikenden Spieler durchbrochen. Denn im Gegensatz zum Profisport in Deutschland, bei dem das Geld als Motivationsfaktor für einen Vereinswechsel eher beiläufig erwähnt wird, sprechen US-Sportler und -Manager ganz offen darüber, dass es beispielsweise eine wirtschaftliche Entscheidung war, zum Erzrivalen zu wechseln oder aber den alternden Liebling der Fans zu entlassen.
Streiks bergen also ein recht hohes Risiko für die Profis, aber auch für die Gewerkschaften, die in der Folge eines Streiks an Bedeutung verlieren könnten – und zwar mit jedem einzelnen Streikbrecher. Deshalb wird in den USA zu anderen Methoden gegriffen. Sogenannte slow downs beispielsweise, bei denen die Arbeitnehmer einfach die anfallende Arbeit sehr viel langsamer verrichten, gehören ebenso dazu wie der strikte Dienst nach Vorschrift. Die Arbeitgeber können sich gegen diese Provokationen dann mit einer Aussperrung wehren. Und während einer solchen Aussperrung haben die Mitarbeiter immerhin die Garantie, anschließend wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren zu dürfen – im Gegensatz zum Streik, der durchaus mit dem Jobverlust enden könnte.
Noch absurder wird es allerdings im nächsten Schritt. Für die Arbeitgeber – zumindest im Sport, aber auch überall sonst, wo Gruppen von Arbeitgebern, die sich absprechen können, eine Monopolstellung haben – ist eine Gewerkschaft vorteilhafter als für die angestellten Spieler beziehungsweise Mitarbeiter. Denn solange es eine Gewerkschaft und gemeinschaftlich organisierte Arbeitgeber gibt, kann die Gewerkschaft nur mit dem Gewerkschaftsrecht gegen die Arbeitgeber vorgehen – und das bietet außer den oben beschriebenen Provokationen nur wenig Handlungsspielraum. Aus diesem Grund haben sich die beiden Spielergewerkschaften auch aufgelöst und sich in Trade Associations neu organisiert, die mit einem Fachverband vergleichbar sind. In der Folge können einzelne Mitarbeiter, in diesem Falle einzelne Spieler, gegen den Monopolisten mit Hilfe des Kartellrechts vorgehen, denn nun handelt es sich bei ihnen nicht mehr um in einer Gewerkschaft organisierte Mitarbeiter, sondern um einzelne Vertragspartner, deren einzig möglicher Kunde für ihre Dienste eben ein Monopolist ist.
Während in Deutschland bei einem Arbeitskampf also die große Stunde der Gewerkschaften schlägt, ist in den USA dann die Zeit gekommen, die Gewerkschaft aufzulösen. Das große Problem dabei ist, dass juristisch die Strukturen aufgelöst werden müssen, um wirklich Druck ausüben zu können. Doch diese Strukturen dürfen nicht zerstört werden, denn sonst hätten die Arbeitgeber ja keinen einheitlichen Ansprechpartner mehr, mit dem man diesen Zwist beilegen könnte. Man müsste individuell mit den 550 NBA-Spielern oder den derzeit 1 800 NFL-Spielern einzeln verhandeln.
Deshalb existiert die ehemalige Gewerkschaft als Fachverband weiter. Allerdings darf sich dieser Fachverband auf keinen Fall den Anschein geben, auch nur theoretisch als Verhandlungspartner zur Verfügung zu stehen. Denn dann könnte der Arbeitgeber wiederum klagen, dass die ehemalige Gewerkschaft nur offiziell ihren Gewerkschaftsstatus abgelegt hat, weiterhin aber als solche fungiert, und mit dieser Begründung die Kartellklagen abweisen lassen.
Dies zieht den Entscheidungsprozess noch mehr in die Länge. Die ehemaligen Gewerkschaften versuchen, möglichst wenig gewerkschaftsartig zu wirken, die Gespräche verlaufen dementsprechend wenig produktiv – bis die Deadline naht (im Falle der NBA auch noch ein wenig darüber hinaus). Und Fortsetzungen sind schon garantiert: Wegen auslaufender CBAs wird es im Jahr 2012 ebenfalls zu Arbeitskämpfen im Sport kommen, dann jedoch im Baseball und im Eishockey.