Die »Occupy«-Proteste im Bible Belt

Nicht wie in Europa!

In den konservativen US-Bundesstaaten ist es für die »Occupy«-Bewegung nicht so einfach, den Kapitalismus zu kritisieren. Ein Bericht aus Tulsa, Oklahoma.

Immer wenn David Gladney mit seinem Truck in die Innenstadt von Tulsa fährt, passiert er Chapman Green, eine kleine Rasenfläche inmitten von mehrstöckigen Bürogebäuden und Wolkenkratzern. Aber seit Aktivistinnen und Aktivisten von »Occupy Tulsa« Anfang November ihre Zelte auf dem Platz aufgeschlagen haben, nerven sie ihn jedes Mal mehr, wenn er an ihnen vorbeikommt. »Ein Haufen arbeitsloser Querulanten« sei das, sagt er, als er von seiner Mittagspause zurückkommt. »Wer Amerika besetzen will, ist ein Idiot.« Nur eine Straße entfernt befindet sich die Trinity Episcopal Church, dort arbeitet der pensionierte Musiklehrer einmal die Woche ehrenamtlich als Pförtner. Sein Glaube an Gott scheint genauso groß zu sein wie sein Glaube an freie Märkte: »Der Kapitalismus hat Amerika zu dem gemacht, was es ist. Diese Demonstranten sollten erkennen, dass das System für sie von Vorteil ist.«
Tulsa ist die zweitgrößte Stadt im Bundesstaat Oklahoma und gilt als eines der Zentren der religiös-konservativen Region, die auch als Bible Belt bekannt ist. Hier sind Energiekonzerne wie Williams Companies oder Oneok die größten Arbeitgeber. Offiziell hat die Rezession die Stadt weitaus weniger hart getroffen als den Rest der USA. Hier gegen die Verhältnisse aufzubegehren ist nicht einfach. Am Chapman Green verteilen einige Besetzerinnen und Besetzer Flyer oder blicken auf die menschenleeren Bürgersteige. Ein Campingzelt und ein improvisierter Pavillon rascheln im Wind. »Die ›Occupy‹-Bewegung ist erst der Beginn von etwas Großem«, sagt Daniel Lee. Zusammen mit anderen sammelte der Student Spenden und schrieb Pressemitteilungen, als Demonstrierende von der Polizei mit Pfefferspray angegriffen wurden. Dass von den ursprünglich 70 Besetzerinnen und Besetzer heute nur noch ein Bruchteil da ist, findet er nicht schlimm. »Die Protestformen ändern sich und wir erfahren eine Menge stiller Unterstützung in der Stadt«, sagt er. Die Sympathie komme von allen Seiten, von Marxisten ebenso wie von manchen Republikanern und Anhängern der Tea-Party-Bewegung: »Die Tea Party teilt viele unserer grundsätzlichen Enttäuschungen.« Und in welche politische Richtung sich die Bewegung entwickeln werde, wisse ohnehin keiner.
Schichtwechsel in der Trinity Episcopal Church. Kurz bevor sich David Gladney auf den Weg nach Hause macht, wirft er noch einen letzten Blick auf Chapman Green. Am Ende seien ihm die Proteste egal. »Hauptsache, die zünden keine Autos an oder schmeißen Steine, wie in Europa«, sagt Gladney, »das sieht der Schöpfer gar nicht gerne.«