Italien, Teil 2 einer Serie über Rechtspopulismus in der Euro-Krise

Den Padaniern stinkt der Stiefel

In Italien machen rechtsextreme Parteien gegen den Euro und die neue Regierung mobil, hinter der sie eine Verschwörung vermuten. Zugleich verstärkt die rassistische Lega Nord wieder ihre separatistischen Bemühungen. Teil 2 einer Serie über rechten Populismus und Extremismus in der Euro-Krise.

Jahrelang hofierte Silvio Berlusconi neofaschistische Organisationen und verwischte durch seine Wahlbündnisse die Grenze zwischen der konservativen und der extremen Rechten in Italien. Mit dem Regierungswechsel drängt die extreme Rechte nun wieder stärker in die Rolle der Opposition. Dabei haben die Wirtschaftskrise und der erzwungene Rücktritt Berlusconis die Bündnispartner keineswegs entzweit, sondern vielmehr eine neue Aufgabenteilung notwendig werden lassen. Während Berlusconis Partei »Volk der Freiheit« im Parlament mit der neuen Regierung zusammenarbeitet, übernehmen die rechtsextremen Parteien die außerparlamentarische Hetze gegen Ministerpräsident Mario Monti.

So plakatiert die neofaschistische Partei Forza Nuova im Zentrum Roms flächendeckend gegen die »Regierung des Bankiers«. Auf fingierten Fahndungsplakaten wird zur Verhaftung des »Kriminellen« Monti aufgerufen, der in seiner Funktion als EU-Kommissar die griechischen Konten »gefälscht« habe und nun mit seiner Sparpolitik die Zukunft der Italiener ruiniere. In der Hoffnung, die alte Koalition schon bald wieder aufnehmen zu können, wird Berlusconi verteidigt und von jeder Verantwortung für die Rezession freigesprochen. Die italienische Misere sei vielmehr das Werk einer internationalen Verschwörung. »Der wahre Grund für die Krise ist die weltweite Freimaurerei«, heißt es seitens der Partei.
Monti gilt unter anderem wegen seiner Teilnahme an den Bilderberg-Konferenzen und seiner Beratertätigkeit für die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs als »gefährlicher Geheimbündler« und »Spekulant«. Er inszeniere sich als Retter Italiens, in Wahrheit jedoch, so die Forza Nuova, betreibe er ein »doppeltes Spiel« zugunsten seiner »anglo-jüdisch-amerikanischen Logenbrüder«. Deren ökonomische Interessen seien von Berlusconis Energiepolitik in Libyen durchkreuzt worden, deshalb habe man zunächst Gaddafi getötet und wolle nun den italienischen Energiekon­zern Eni aus Libyen drängen. Für die »lüstern-gierigen Schweine« aus den US-Investmentunternehmen, prophezeien die Neofaschisten, werde Monti den Ausverkauf staatlicher Unternehmensanteile an der Eni organisieren. Und all dies sei nur wegen der europäischen Einheitswährung möglich. »Die Geburt des Euro war die größte freimaurerische Spekulation der Geschichte«, erklärt die Forza Nuova.

Die beiden anderen rechtsextremen Parteien, die Fiamma Tricolore (FT) und La Destra, versteigen sich nicht zu solchen Verschwörungstheorien, sind sich aber mit der Forza Nuova einig in der Kritik am Euro. So wirbt die FT für eine Petition zum Ausstieg aus dem Euro zwecks »Wiedergewinnung der monetären und nationalen Souveränität«. Die rechtsextreme Häuserkampfbewegung Casa Pound wiederum, die seit jeher Kritik am »internationalen Banken- und Finanzkapitalismus« übt, mobilisiert gegen den »Staatstreich der Banken« und ruft zur Gründung einer nicht näher bestimmten »Volksregierung« auf.
Unterstützt von der neofaschistischen Studentenorganisation Blocco Studentesco, organisierte die Casa Pound Ende November einen Aufmarsch in Neapel, zu dem sie italienweit aufgerufen hatte. Mehr als 1 000 militante Anhänger skandierten dabei nicht nur die üblichen Slogans gegen Rating-Agenturen und Banken, mit ihrer Kritik an der Privatisierung öffentlicher Unternehmen und »Gemeingüter« knüpften sie auch an Inhalte der Linken an. Doch der Aufmarsch der Rechtsextremen stieß in Neapel auf Widerstand. Die Präfektur hatte statt eines Protestzugs nur eine Kundgebung genehmigt und angekündigt, diese sofort aufzulösen, wenn der faschistische Gruß oder neonazistische Symbole gezeigt würden. Die Antifa rief außerdem zu einer Gegendemonstration auf.

Während die neofaschistischen Gruppierungen eher Splitterparteien sind, handelt es sich bei der rassistischen Lega Nord um eine regional fest verankerte und stimmkräftige Partei. Diese besinnt sich derweil auf ihre oppositionellen Anfänge und hat auf nationaler Ebene ihre langjährige Koalitionstreue zu Berlusconi aufgekündigt. Sie lehnt die Regierung des »Brüsseler Technokraten« Monti ab, insbesondere die beschlossene Rentenreform, und will nun wieder stärker für eine separatistische Abspaltung des italienischen Nordens kämpfen, den die Partei als »Padanien« bezeichnet. Dabei scheint die traditionell europakritische Lega Nord infolge der akuten Euro-Krise eine neue Strategie entwickelt zu haben: Anfang Dezember lancierten die beiden Europaabgeordneten der Lega, Mara Bizzotto und Mario Borghezio, das Gerücht, Deutschland habe die gemeinsame Währung bereits aufgegeben und lasse in der Schweiz D-Mark drucken. Gleichzeitig sagte der Parteivorsitzende Umberto Bossi in einer Rede anlässlich der Wiedereröffnung des von der Partei inszenierten »Padanischen Parlaments« in Vicenza, Italien habe den »europäischen Wirtschaftskrieg« verloren, nun würden die Europaverträge neu geschrieben und neue Grenzen gezogen: »Am Verhandlungstisch werden wir Padanier uns als Siegervolk präsentieren, denn wir haben seit Jahren vorhergesagt, dass Europa, wie es bisher konstruiert wurde, scheitern würde. Italien aber wird als geschlagene Nation an diesem Tisch sitzen.«
Die Lega spekuliert also offen auf einen italienischen Staatsbankrott und eine Umstrukturierung der EU, in der Hoffnung, die norditalienischen Regionen würden dann, wie auf einer von Bossi präsentierten Landkarte, mit Österreich und Bayern eine neue mitteleuropäische Makroregion bilden. Andererseits hat die Partei ihre regionalen Rechtskoalitionen nicht aufgekündigt, ihre Regionalpräsidenten verhandeln, aller separatistischen Propaganda zum Trotz, mit der nationalen Regierung. Für Januar plant die Lega eine Großdemonstration in Mailand. Dann wird sich zeigen, wie viele Anhänger nicht nur die rassistische Hetze gegen Migranten, sondern auch die anti-italienische Propaganda gutheißen. Immerhin demonstrierten gegen die »Parlamentssitzung« in Vicenza nicht nur lokale Bürgerinitiativen, sondern auch norditalienische Mittelständler, die eigentlichen Stammwähler der Lega.