Früher Feierabend

Die Deutschen werden immer älter, nur nicht die Armen. Arbeitnehmer mit geringem Einkommen wurden 2001 noch durchschnittlich 77,5 Jahre alt, im Jahr 2010 aber nur noch 75,5 Jahre, berichtete am Montag die Saarbrücker Zeitung unter Berufung auf eine ihr vorliegende Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linkspartei. Im Osten der Republik sank im gleichen Zeitraum die Lebenserwartung von Geringverdienern noch stärker, nämlich um fast vier Jahre. Beim Bundesarbeitsministerium reagierte man prompt. »Es gibt keinerlei belastbare Anzeichen dafür, dass der grundsätzliche Trend zu einer höheren Lebenserwartung quer durch alle Einkommensgruppen gebrochen wäre«, teilte ein Sprecher des Ministeriums noch am selben Tag mit. Die genannten Zahlen seien weder »repräsentativ noch aussagekräftig«. Das Dementi des Ministeriums sei »halbherzig«, stellte der Focus fest. Zu Recht, schließlich stammten die Zahlen aus einer Statistik der deutschen Rentenversicherung, dort müsste man eigentlich wissen, wer hierzulande Rente bezieht. Und die Reichen beziehen deutlich länger Rente, statistisch gesehen erreichen sie im Durchschnitt ein Lebensalter von 83,4 Jahren. Im Zeitraum von 2001 bis 2010 stieg ihre Lebenserwartung um ein Jahr. Warum die Reichen nicht nur immer reicher, sondern auch immer älter werden, interessierte viele Vertreter der Medien nicht besonders. Aber warum leben die Armen mittlerweile weniger lange in Armut? »Ist das Rauchen schuld?«, fragt der Focus. Nicht nur, neben Zigaretten mögen sie auch noch Fettiges und Alkohol, stellt ein Kommentar in der Neuen Osnabrücker Zeitung fest. Dort findet man, dass sei ein gutes Argument für die Rente mit 67. Statistisch gesehen bleiben den Armen dann immerhin noch acht Jahre für ihr ungesundes, aber geselliges Rentnerleben. Das Jahresmotto der Caritas für 2012 ist übrigens »Armut macht krank«. Immerhin sorgt sich die katholische Wohlfahrt noch um die Armen.