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In Zeiten wie diesen muss man auf fast alles gefasst sein. Wenn der Chef einem nach dem Wochenende nicht den PC ab- und den Stuhl vor die Tür gestellt hat, kann man sich schon freuen, und das Weihnachtsfest wird zwar überraschender, aber nicht schöner, wenn einem Abmahnung und Mieterhöhung gleichzeitig ins Haus flattern. Deshalb hat eine vorausschauende Elite bei uns schon einmal für die Zeit nach dem Kollaps geplant. Unser Mittwochslayouter, ein harter Kerl mit Neigung zum Abenteuer, hat sich diverse Internetseiten zum Thema Auswanderung vorgenommen. Was dabei herausgekommen ist, legt den Schluss nahe, dass die Länder mit den geringsten Lebenshaltungskosten überwiegend auch solche sind, in denen man früh stirbt. Und wohl nicht immer eines natürlichen Todes. Das schreckt ihn aber nicht, denn Gefahren sind für ihn Herausforderungen. Notfalls würde er nach Kambodscha oder Tadschikistan ziehen, wenn er dort genug Zeit hätte, um sein Verständnis von Hedonismus zu pflegen. Unsere Inlandsredakteurin spielt mit dem Gedanken, einen afrikanischen Häuptling zu heiraten, um nach ihrer Rückkehr einen Bestseller über ihre Erfahrungen in der Fremde zu schreiben. Ihr Ressortkollege, ein überzeugter Verteidiger des Westens, will stattdessen lieber in Kalifornien irgendwas mit Medien machen. Der Dossierredakteur erwägt, ein Haus in einem jener entvölkerten Gebiete in Wales oder Nordengland zu beziehen, wo man fürs Wohnen bezahlt wird. In dieser Zeit möchte er als Thrillerautor reich werden. Natürlich will er uns danach von dem Geld nichts abgeben, sondern sich irgendwelche komischen Bücher kaufen. Die Feuilletonredakteurin, die sich in ihrer Freizeit Auswanderer-Soaps anschaut und auf diese Weise einen instruktiven Überblick über verschiedene Zielorte gewinnen konnte, bevorzugt Norwegen, Island oder Schweden, weil man dort mehr verdient, mehr Platz hat und gut mit Englisch weiterkommt. Unser Lektor und unser Auslandsredakteur teilen dagegen eine Vorliebe für fremde Planeten und würden am liebsten auf den Mars oder eine zweite Erde umsiedeln. Wobei die erste Erde, auf der man sich oft genug bereits fühlt wie auf dem Mars, ja eigentlich fürs Erste reichen sollte. Denn so wichtig es für ein entspanntes Leben ist, seinen Mitmenschen bei Bedarf aus dem Weg gehen zu können, so deprimierend wird es, wenn es überhaupt niemanden gibt, dem sich aus dem Weg gehen lässt. Daher haben wir uns vorerst für einen bereits traditionsreichen Kompromiss entschieden und lassen die nächste Ausgabe für zwei Wochen im Kiosk liegen. Das heißt aber nicht, dass wir uns danach nicht bei Ihnen zurückmelden. Denn auch in diesen Zeiten muss man schließlich nur auf fast alles gefasst sein.