Raus aus der Opferrolle

Als eine Art affirmative action auf höchster Ebene könnte die jüngste Entscheidung am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) verstanden werden. »Ich arbeite für die Opfer Afrikas, wie ich sind alle afrikanisch. Daher kommen meine Inspiration und mein Stolz«, kommentierte Fatou Bensouda ihre Nominierung zur Hauptanklägerin der Institution. Am Montag wurde sie schließlich gewählt. An »Verbrechen gegen die Menschheit«, »Völkermorden« und anderen Kriegsverbrechen, die durch den IStGH geahndet werden sollen, mangelt es auf dem afrikanischen Kontinent leider tatsächlich nicht. Und Frauen gehören sicherlich zu den Hauptleidtragenden dieser Gewalt. Dass die Wahl auf Bensouda fiel, hat damit zu tun, dass sie dem IStGH nach dem argentinischen Hauptankläger Luis Moreno-Ocampo auch ein »afrikanisches« Gesicht geben soll. Schließlich wurde eines der ersten Verfahren gegen den kongolesischen Warlord Thomas Lubanga eröffnet, derzeit wird gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir und den ehemaligen Präsidenten der Côte d’Ivoire, Laurent Gbagbo, ermittelt. Ein »afrikanisches Gesicht« soll offenbar auch der Kritik, der IStGH stehe unter kolonialistischem Einfluss, entgegenwirken.
Doch selbst wenn Frauen in internationalen Spitzenpositionen rar sind und ein wenig affirmative action wünschenswert wäre, hat Bensouda dies eigentlich nicht nötig. Bei der wichtigen Postenvergabe allein auf die Herkunft der 50jährigen Gambierin hinzuweisen, würde der hervorragenden Eignung der Kandidatin aufgrund ihrer beruflichen Kompetenz nicht gerecht. Nach ihrer juristischen Karriere in Gambia, wo sie es bis zur Justizministerin und ersten Expertin in internationalem Seerecht brachte, arbeitete sie unter anderem beim Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda. 2004 wurde sie mit großer Mehrheit zu Moreno-Ocampos Stellvertreterin gewählt. Sie gilt als sehr intelligent und besonnen. Allerdings wird ihr mangelnde Führungskompetenz vorgeworfen, und man sorgt sich, ob sie mit den nichtjuristischen Aspekten ihres Jobs umgehen kann. Diplomatisches Geschick ist gefragt, schließlich reagieren Staatsführungen schnell beleidigt, wenn ihnen jemand auf den Schlips treten will. So zog beispielsweise der Sudan seine Unterzeichung des Rom-Statuts für die Schaffung des IStGH zurück, ebenso die USA und Israel. In letzterem Fall ist das vielleicht berechtigt, da sicher eine Flut von Klagen folgen würde.