Ist die Leberwurst links?

Was auch immer sie tun, immer ernten unsere Politiker nur Undank. Das ist nicht fair, und deshalb, Kristina Schröder, möchte ich mich herzlich für die kostenlose Werbekampagne bedanken, die Sie für uns führen. Sie haben mit Ihrer Autorität als Ministerin das Geleitwort für das von der Zeitbild-Stiftung zusammengestellte Unterrichtsmaterial mit dem Titel »Demokratie stärken – Linksextremismus verhindern« ge- oder zumindest unterschrieben. Den Begriff »Linksextremismus« lehnen wir zwar ab, aber was zählen kleinliche Einwände angesichts einer so gelungenen PR-Offensive. Wir hätten die Lehrer nicht dazu bringen können, ihren Schülern zwecks vergleichender Medienanalyse zu sagen: »Wir schauen uns jetzt mal alle die Website der Jungle World an.« Fast könnte man glauben, dass Sie, die uns ja vor fünf Jahren ein Interview gewährt haben (»Ich meine nicht, dass jeder Leberwurst essen muss«), subversive Ziele verfolgen. Denn Jürgen Reents, der Chefredakteur der Tageszeitung Neues Deutschland, die ebenfalls als linksextremistisch eingestuft wurde, hat ja recht, wenn er Ihnen schreibt, dass in den Unterrichtsmaterialien vieles »verwunderlich und abwegig« ist. Einer klugen Frau wie Ihnen kann das doch nicht entgangen sein.
Die Aufklärung muss manchmal Umwege gehen. Wenn man die Schüler für linke Politik interessieren will, muss man diese als etwas Verwerfliches darstellen. Wenn die offizielle Darstellung sich dann auch noch als offensichtlich abwegig erweist, motiviert man die Schüler zu eigener Recherche. Unschwer etwa lässt sich feststellen, dass die Jungle World nicht, wie in den Unterrichtsmaterialien behauptet wird, ein Online-Medium ist. Schon ist das Misstrauen geweckt. Wer nicht einmal eine Zeitung als solche erkennen kann, dürfte mit komplexeren Aufgaben hoffnungslos überfordert sein. So wird behauptet: »Seit 1982 finden in Berlin in der Nacht zum 1. Mai die ›Revolutionären 1. Mai‹-Demonstrationen statt.« Tatsächlich geht diese Tradition auf das Jahr 1987 zurück, und die Demonstration findet am 1. Mai statt, auch wenn manche sich in der Nacht zuvor schon mal warmlaufen. Dem aufmerksamen Schüler wird auch nicht entgehen, dass für die Debatte über Grundrechte nur der erste Absatz von Artikel 14 (»Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt«) zitiert wird. Bis zu Absatz 2 (»Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen«) sind die Mitglieder des Stiftungsbeirats, unter anderem Bernd M. Michael, Präsident des Deutschen Marketing-Verbandes, und Hanns-Eberhard Schleyer, ehemaliger Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, bei der Lektüre wohl nicht vorgedrungen. Nur was die Links­extemisten von der Leberwurst halten, erfahren wir leider nicht.