Hauptsache anständig

Für seine Wutausbrüche im Parlament ist er berüchtigt, nun wird er sich diesbezüglich zurückhalten müssen. Seit 2002 war Mustafa Ramid Abgeordneter der islamistischen »Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung« (PJD), in der vergangenen Woche wurde der 52jährige zum Justizminister Marokkos ernannt. Ein Drittel der 30 Minister stellt die PJD, die als stärkste Partei aus den Parlamentswahlen vom 25. November hervorging. Der Rest ging an die bürgerlich-nationalistische Partei Istiqlal, die Berberpartei Mouvement Populaire, die linksliberale, ehemals kommunistische Partei PPS und mehrere »unabhängige« und dem Königshaus nahestehende Technokraten.
Ramid war im Palast, aber auch innerhalb seiner Partei selbst umstritten. Als umtriebiger Anwalt kämpfte er gegen die chronische Korruption und Auswüchse der staatlichen Repression. Vor allem forderte er eine Einschränkung der Macht des Monarchen, diese wollte die größte islamistische Partei Marokkos bisher nie offen antasten. In den vergangenen Jahren vertrat Ramid als Anwalt sowohl Menschenrechtsaktivisten und nichtislamistische Journalisten als auch inhaftierte Salafisten, also militante Islamisten.
Im vergangenen Jahr hatte es auch in Marokko heftige politische Proteste gegeben. Zwei Tage nach den ersten Demonstrationen vom 20. Februar traten Ramid und zwei weitere Mitglieder aus dem Vorstand des PJD zurück, weil die Partei sich von den Protesten distanziert hatte. Am 4. April nahmen sie ihre Rücktrittserklärung jedoch zurück. Ramid, der weiterhin selbst an Demonstrationen teilnahm, unterstützte im Frühsommer ebenso wie seine Partei den Entwurf für eine modernisierte Verfassung. Diesen stellte das Königshaus am 17. Juni vor und ließ ihn im Schnelldurchlauf bei einer Volksabstimmung am 1. Juli absegnen.
Ramids Reformwille hat jedoch Grenzen. So ist er auch ein Verfechter der Moralisierungskampagnen seiner Partei. Im August 2011 verurteilte er die Bewegung der »dé-jeûners« scharf. So wurden Personen genannt, die es ablehnten, das Fastengebot des Ramadan zu befolgen, und demonstrativ in der Öffentlichkeit speisten – was Polizeieinsätze auslöste. Der Anwalt und Abgeordnete sagte dazu: »Der Gesetzgeber kann nicht die Gefühle von 99,99 Prozent der Marokkaner vernachlässigen, zugunsten von 0,01 Prozent, die öffentlich essen können möchten.« Wenn es so weitergehe, »dann fordern sie auch, nackt auf die Straße zu gehen«.