Wulff ist ein Präsidentenmonster

Nieder mit dem Despoten!

Christian Wulff ist ein machthungriges, skrupelloses Präsidentenmonster. Zum Glück gibt es unerschrockene, freiheitsliebende Widerstandskämpfer wie Kai Diekmann.

Als im Februar vergangenen Jahres der tunesische Präsident Ben Ali von seinem wütenden Volk aus dem Land gejagt wurde, erschütterten Schockwellen die ganze Region. Ein Regime nach dem anderen geriet ins Wanken, erst traf es Mubarak und Gaddafi, und heute, ein Jahr nach dem Beginn der Aufstände: Assad und Wulff.
Wie gelähmt schien das deutsche Volk lange Zeit unter der Schreckensherrschaft des Niedersachsen, der seine Untertanen systematisch mit der Ausstrahlung des netten Schwiegersohns, seinem an ungezählten Pixi-Büchern geschärften Intellekt und seiner Rauflust, die selbst einen unter Beruhigungsmitteln stehenden Pandabären erschaudern ließe, rundum paralysierte und in tiefe Agonie trieb. Doch hinter der Fassade des leicht irren, aber im Grunde harmlosen Exzentrikers, des schillernden Paradiesvogels tobt sich der wahre Christian Wulff aus. Als Bundespräsident plündert er sein Land in nie gekannter Rücksichtslosigkeit aus und führt ein luxuriöses Lotterleben, das jeglichen Moralvorstellungen höhnt. Er hatte in den vergangenen Jahrzehnten nachweislich Sex mit zwei verschiedenen Frauen, von denen eine sogar tätowiert war. Für seine Orgien ließ er sich einen üppigen Lusttempel errichten, finanziert von Unternehmergespielinnen und Bankvorständen unter noch ungeklärten Umständen, und noch bei der Anreise zur Vertragsunterzeichnung mit ihnen fuhr er zu schnell durch die Tempo-30-Zone.

Wahrscheinlich hätte Wulff mit diesen skrupellosen Methoden und seiner unerschöpflichen Machtfülle langfristig das ganze Land ausbluten lassen, doch ein unerschrockener Widerstandskämpfer stellte sich ihm in den Weg und öffnete den Deutschen die Augen über ihren ach so netten Präsidenten: Kai Diekmann, Chefredakteur der Untergrundzeitung Bild, einer der letzten Aufrechten, ein Vorkämpfer für Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und vorurteilsfreie Berichterstattung, eine Art Mischwesen aus Kurt Tucholsky, Sophie Scholl und einer Jahresvorratspackung Haargel. Als Idealist durch und durch schreibt er tapfer gegen jedwede moralische Verfehlungen an. Schließlich jagte er schon den halbseidenen Minister Guttenberg aus dem Amt und kämpft auch sonst gegen jede denkbare menschliche Verfehlung von Bigotterie über Voyeurismus bis Hartz IV.
In Wulff fand er seinen bislang gefährlichsten Gegner. Der Präsident schreckte vor keiner noch so schmutzigen Methode zurück: Mehrfach sprach er Diekmann sogar auf dessen Mailbox – welche Qual solche Attacken für das Opfer bedeuten, ahnt jeder, der einmal länger als 30 Sekunden einer Wulff-Rede zuhören musste.
Längst ist der Machtkampf eskaliert. Jeden, der etwas Kritisches über Wulff sagt, kann es erwischen. Seine Opfer sind Legion: Neben Diekmann traf es schon Mathias Döpfner, Friede Springer, Angela Merkel, die Telefonauskunft und den Pizza­dienst. Sobald das Telefon klingelt, zucken die Menschen im Lande inzwischen furchtsam zusammen, schließlich könnte der Präsident dran sein. Und niemand weiß, wem er als Nächstes auf die Mailbox schimpft.
Doch allmählich erhebt sich auch das Volk. Bei einer machtvollen Großdemonstration am Wochenende auf dem Berliner Tahrir-Platz brachten mehrere Dutzend Menschen den Volkszorn zum Ausdruck und hielten Wulff tapfer ihre Nike-, Gucci- und Burberry-Schuhe entgegen. Eine verlustreiche Schlacht um Schloss Bellevue droht, und selbstverständlich kommt es auf beiden Seiten zu Verbrechen gegen die Menschheit. So schoss allein Thomas Schmid, der Chefredakteur der Welt, in einem einzigen Essay geschlagene 31 000 Zeichen aus abgelutschten Worthülsen, staatstragenden Quatschhypothesen und kruden Metaphern (»Wir brauchen keine Staatsglucke, die keine Eier legen darf«) auf den Präsidenten ab und nahm billigend in Kauf, dass unschuldige Zeitungsleser zu Tode gelangweilt werden könnten. Schließlich meldete sich auch noch Vera Lengsfeld zu Wort und nannte Wulff eine »Witzfigur«.
Wie der Kampf des Tyrannen Wulff gegen den Freiheitskämpfer Diekmann ausgehen wird, ist derzeit noch völlig ungewiss. Es sollte uns nicht allzu sehr wundern, wenn Diekmann demnächst tot in einer Badewanne aufgefunden wird, das Hobby Fallschirmspringen für sich entdeckt und schon beim ersten Versuch scheitert oder im nächsten Urlaub plötzlich eine Bank überfällt und sich anschließend in seinem Wohnmobil selbst erschießt. Das ist eben das Risiko, das es zu tragen gilt, wenn man sich derart unerschrocken mit dem mächtigsten Mann im Staate anlegt. Aber wenn es tatsächlich zum Schlimmsten kommt, sollten wir Diekmanns Lebenswerk, seinen Kampf für eine saubere, faire Presse und ihre Freiheit, ehrend in Erinnerung halten – und ihm wenigstens posthum ein Integrationsbambi verleihen.