Berlin Beatet Bestes

Pippis Papa

Berlin Beatet Bestes. Folge 129. Martin Ljung: Rock-Fnykis (1958).

Die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester habe ich mit meiner Freundin in Stockholm auf ­einem Swing-Workshop namens »Snowball« verbracht. Sechs Tage lang haben wir nichts anderes gemacht, als getanzt, getanzt, getanzt. Morgens gab es zwei bis drei Stunden Unterricht bei den international bekanntesten Tanzlehrerpaaren der Swingszene, und ab 21 Uhr spielte im großen Ballsaal immer eine Bigband bis morgens um fünf. Praktischerweise fand alles an einem Ort statt, in einem riesigen Hotel in der Innenstadt.
900 Tanzverrückte besetzten das Hotel und nie kam Langeweile auf. Eigentlich gab es keinen Grund, jemals das Gebäude zu verlassen. Eines Nachmittags lockte mich meine Freundin allerdings doch hinaus, um die schöne Altstadt zu besichtigen. Und ganz zufällig entdeckte ich in der Seitenstraße einer Fußgängerzone einen kleinen Laden. »Got To Hurry« in der Yxsmedsgränd 4 ist ein auf Beat und Garage der Sechziger spezialisiertes Geschäft. In den achtziger Jahren hatte der Betreiber sogar eine LP der Stockholmer Sixties-Garage-Band The Stomachmouths herausgegeben. Sofort erinnerte ich mich an einen Auftritt der Band 1986 in der Hamburger »Fabrik« zusammen mit den Fuzztones. Die Schweden waren beeindruckend stilsicher, trugen alle uniforme Anzüge, Beatles-Haarschnitte und die Gitarren unterm Kinn. Ein kleiner Stapel der LP lag da immer noch rum. Bis vor kurzem wäre es genau das Richtige für mich gewesen. Jetzt fragte ich nach Jazz.
Zunächst schüttelte der Besitzer nur mit dem Kopf, kramte dann aber doch zwei Kisten mit Singles aus dem Hinterzimmer hervor. In der Woche kurz nach Weihnachten war ich der ein­zige Kunde im Laden, und so hatte er Zeit, mir jede Single eigenhändig vorzuspielen. Tatsächlich waren auch schwedische Swing-Platten darunter. Mein interessantester Erwerb ist jedoch eine Platte von Martin Ljung, einem schwedischen Komiker. Das Cover gehört zu den seltsamsten Entwürfen, die das Incredibly Strange Music-Genre zu bieten hat. Auf der Platte hört man einen Live-Auftritt Ljungs, aufgenommen in Göteborg im Juni 1958, bei dem er sich über die neue Rock’n’Roll-Mode lustig macht. In der Rolle der fiktiven Figur Rock-Fnykis singt er einen Song, in dem auch Elvis Presley, Paul Anka und Tommy Steele erwähnt werden. Offensichtlich inklusive der üblichen Tanzbewegungen, denn das Publikum rast: »Med Rock’n’Roll, tralalala/Rock’n’Roll, oh hoppsansa!«.
Geschrieben wurde das Programm von Povel Ramel, einem schwedischen Musiker, Komiker und dem Gründer des Knäppupp-Unternehmens. Von 1952 bis 1968 produzierte Ramel mit einer Kerngruppe, zu der auch Martin Ljung gehörte, eine Vielzahl von Revuen, Schallplatten und Filmen. Dem deutschen Publikum bekannt wurde Martin Ljung 1970 in der Rolle des Piraten Messer-Jocke in der Verfilmung von »Pippi Langstrumpf im Taka-Tuka-Land«.
2010 verstarb Ljung im Alter von 93 Jahren in Stockholm.