Lotto statt Zeilengeld

Man war doch schon so nah dran gewesen an der ersten Million! Ganz früher gehörten »Wetten, dass«-Gucken, Erdnussflips-Essen und Lottospielen zu jedem guten Wochenende. Selbstverständlich spielte man noch nicht selbst, aber mit etwas Glück bekam man von den Eltern in der Lottoannahmestelle den Kugelschreiber in die Hand gedrückt und durfte die Zahlen selbst aussuchen. Abends wartete man gespannt vor dem Fernseher, dass die blonde Frau mit der Föhnfrisur, die einen regelmäßig vom eigenen Pony träumen ließ, endlich das futuristische Ziehungsgerät anwerfen würde, das dann mit einem wunderbaren Plop-Geräusch nummerierte Tischtennisbälle ausspuckte. Vorher hieß es immer noch, dass sich ein Aufsichtsbeamter vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes überzeugt habe, so dass eigentlich gar nichts mehr schiefgehen konnte. Im späteren Leben kam man dann zu dem eventuell falschen Schluss, dass Lotto eine extrem kleinbürgerliche und unglamouröse Methode sei, das süße Leben herzustellen. Heute dagegen findet man, dass die Worte »Jackpot«, »Gewinnausschüttung« und vor allem »Sofortrente« total sexy klingen und an endlose Strände, Riesenfinca und eigenen Pool denken lassen. Wie verachtenswert unhedonistisch klingen dagegen Begriffe aus dem Kultur­journalistinnen­dasein wie »Abga­be­frist«, »Zeilen­honorar« und »Künstlersozialkasse«! Jetzt hilft nur noch Lottospielen. Sonst klappt das nie mit dem eigenen Pony.