Standard & Poor’s kritisiert Deutschland

Poor Standard

Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit von neun Euro-Staaten begründet die Rating-Agentur Standard & Poor’s mit einer Kritik an der deutschen Politik.

Eigentlich sind die Gewerkschaften dafür zuständig, Lohnerhöhungen zu erkämpfen. In Deutschland scheint das nicht mehr zu klappen, und das ist umso unverständlicher, als man mittlerweile wahrlich kein Linker mehr sein muss, um höhere Löhne zu befürworten. Das bewies in der vergangenen Woche eine Institution, die des Hanges zu linker Umverteilungspolitik wohl unverdächtig ist: Standard & Poor’s. In ihrer Begründung für die Herabstufung der Kreditwürdigkeit von neun Euro-Staaten schreibt die Rating-Agentur, dass »ein allein auf einer Säule der fiskalen Austerität basierender Reformprozess selbstzerstörerisch werden könnte, weil die Binnennachfrage sinkt«. Überdies sei die Euro-Krise nicht allein eine Folge zu hoher Ausgaben, sondern auch des wachsenden Ungleichgewichts innerhalb der Euro-Zone.
Mit anderen Worten: Die Deutschen sollen endlich die Löhne erhöhen und die Exporte drosseln, vor allem aber aufhören, anderen Euro-Staaten eine desaströse Sparpolitik aufzuzwingen. Kein Wunder, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf die Agentur nicht gut zu sprechen ist: »Ich glaube nicht, dass Standard & Poor’s wirklich begriffen hat, was wir in Europa schon auf den Weg gebracht haben.« Tatsächlich scheint Schäuble nicht begriffen zu haben, dass die Politik der Bundesregierung auf Dogmen basiert, an die »der Markt« nicht glaubt. Die Rating-Agenturen repräsentieren den common sense der globalen Geschäftswelt. In einem Gewerbe, für dessen Erfolg das Desinteresse an sozialen Belangen die Grundvoraussetzung ist, hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass die deutsche Politik Europa und womöglich auch den Rest der Welt in die Rezession treiben könnte.
Unklar bleibt, ob es ein Beispiel für Bankerhumor ist, dass Standard & Poor’s in der Beurteilung der Euro-Krise von »16 souveränen Regierungen« spricht. Denn der Euro ist die Währung von 17 Staaten. Ob man Griechenland als nicht mehr souverän oder als nicht mehr zur Euro-Zone gehörend betrachtet, wird nicht erläutert. Der Austritt wird mittlerweile nicht nur in der Bild-Zeitung, sondern auch in Griechenland diskutiert. Denn die Lage wird immer schlimmer.
Die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern wurden vorige Woche abgebrochen. Diese Gläubiger werden vom Institute of International Finance (IIF) repräsentiert, das eine Pause einlegen will, um noch einmal über »die Vorteile einer freiwilligen Herangehensweise« nachzudenken. Im Herbst sagten die Banker zu, einen Abschlag von 50 Prozent auf den Nominalwert ihrer griechischen Staatsanleihen hinzunehmen, doch wie so viele Selbstverpflichtungen von Unternehmern scheint auch diese nicht viel wert zu sein.
Man müsse »Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist«, hatte Kanzlerin Angela Merkel im September vorigen Jahres gefordert. Doch selbst wer dies als erstrebenswertes Ziel betrachtet, muss nun feststellen, dass »der Markt« von der deutschen Euro-Politik nichts hält. Welche Rolle machtpolitische Ambitionen, das ideologische Dogma von den »Schuldensündern« und ihrer notwendigen Bestrafung oder schlichte Inkompetenz spielen, ist unklar. Doch man muss keine den Nationalsozialismus verharmlosenden Vergleiche bemühen um festzustellen, dass Appeasement die falsche Antwort ist.