Über den Film »Die Kriegerin«

Sex unterm Hakenkreuz

Der Film »Die Kriegerin« erzählt die Geschichte rechtsextremer Frauen in einer Naziclique in der ländlichen Region Ostdeutschlands.

Nur selten schafft es eine Abschluss­arbeit aus einer Hochschule für Film und Fernsehen auf die große Kinoleinwand. David Wnendts Film »Die Kriegerin«, entstanden als Abschlussarbeit für die Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg, ist eine der wenigen Ausnahmen – und das ist bereits ein großer Erfolg für den jungen Filmemacher. Für seine Geschichte über junge rechte Frauen hat der 1977 in Gelsenkirchen geborene, in Berlin lebende Wnendt zwei Jahre in der Szene recherchiert. Er ist auf Nazidemonstrationen mitgelaufen, hat sich in rechten Dating-Portalen ein Profil angelegt, um sich mit Frauen zu treffen und mit ihnen Gespräche zu führen. Der bereits mit mehreren Nachwuchspreisen ausgezeichnete Film will zeigen, dass solche Frauen genauso rassistisch und gewalttätig sind wie die Männer der Naziszene.
Im Filmtheater Schauburg in Dresden, wo in der vergangenen Woche die Uraufführung stattfand, wurde Wnedt und seinem Filmteam der rote Teppich ausgerollt. Der Film erntete viel Applaus. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass ein Film über junge Nazis in Ostdeutschland wohl zu kaum einem besseren Zeitpunkt in die Kinos kommen könnte. Nach dem Auffliegen der Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« wird das Thema in der deutschen Öffentlichkeit stärker wahrgenommen. Auch deshalb fragt man sich, wem der Applaus am Ende der Vorführung eigentlich galt. War es tatsächlich die Leistung des Filmemachers, die gefeiert wurde, oder wurde einmal mehr die vermeintliche Leistung der Deutschen bei der Aufarbeitung des Nazismus beklatscht?
Im Mittelpunkt der Handlung steht Marisa (Alina Levshin), die sich stets hart gibt und selten Gefühle zeigt. Ihren Mitmenschen begegnet die Frau Anfang 20 mit provokanter Herablassung. Sie gefällt sich in der Rolle der Kompromisslosen. In einer Demokratie, in der jeder mitbestimmen kann, »Alkoholiker, Junkies, Kinderschänder, Neger, Leute, die zu blöd sind, ihren Hauptschulabschluss zu schaffen, Leute, denen dein Land einfach scheißegal ist«, in einer solchen Gesellschaft herrscht für sie Krieg. Und im Krieg ist eben alles erlaubt. Und es gibt Opfer. Die Plätze, an denen Marisa und ihre Freunde sich aufhalten, werden für andere schnell zu gefährlichen Orten. Jeder kann aus irgendeinem Grund von ihnen angegriffen werden. Mal ist das Basecap der Anlass, mal der Döner, den jemand isst, der Migrationshintergrund oder ein falscher Blick. Ein Grund findet sich immer. Marisa und ihre Freunde treten und schlagen hemmungslos zu, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet.
In einer solchen Situation reißt die Hauptfigur die Augen auf, bewegt sich selbstbewusst, aalt sich genüsslich in ihrer Überlegenheit gegenüber dem Angegriffenen. Wer der Gruppe um Marisa begegnet, kann nicht einfach die Straßenseite wechseln, um Ärger zu vermeiden. Dennoch gibt es die Momente, in denen die Protagonistin nachdenklich wird. Dann hat sie mit ihrer Unsicherheit zu kämpfen, die sonst hinter ihrer aggressiven Fassade versteckt bleibt. Es sind Momente, in denen es um ihren Großvater (Klaus Manchen) geht. In seiner Nähe wird sie wieder zu dem kleinen Mädchen, dem er damals am Ostseestrand erzählte, dass sie nicht alles glauben dürfe, was in der Schule über den Nationalsozialismus gelehrt wird.
Nun liegt er im Sterben. Marisa legt ihren Kopf auf seine Brust, und der Großvater legt seine Lebensbeichte ab: »Ich habe in meinem Leben so viel Schlimmes gemacht, das reicht für vier. Was du auch gemacht hast, so schlimm kann das gar nicht gewesen sein. Aber man muss für alles bezahlen und geradestehen. Und den Dreck wegmachen, den man gemacht hat.« Als der aus Afghanistan stammende Rasul (Sayed Ahmad Wasil Mrowat) in ihrem Leben auftaucht, setzt eine Veränderung ein. Es beginnt mit einer Nötigung: Marisa drängt ihn und seinen Bruder mit ihrem Auto brutal von der Straße ab. Aber bald meldet sich bei ihr das schlechte Gewissen.
Während Marisa beginnt, an den Ideologien, die in ihrem Umfeld propagiert werden, zu zweifeln, beschreitet die 15jährige Svenja (Jella Haase) den Weg in die Naziszene. Die neuen Freundschaften ermöglichen es ihr, sich von ihrem autoritären und sadistischen Stiefvater zu lösen. Er durchsucht ihre Hosentaschen regelmäßig nach Zigaretten, lässt sich von ihr anhauchen und zwingt sie, eine ganze Schachtel vor seinen Augen aufzurauchen, als er sie schließlich mit einer Zigarette erwischt. Svenja haut von zu Hause ab und hinterlässt an der Wohnzimmerwand den Schriftzug »Nationaler Widerstand! Sieg Heil!« und ein Hakenkreuz. Sie habe ihren Eltern eine Nachricht hinterlassen, erzählt sie Marisa.
Als das Zwickauer Terrornetzwerk aufflog, war »Die Kriegerin« bereits abgedreht. Der Film zeigt die rechte Szene so, wie die Mehrheit der Deutschen sie wohl gerne sehen will: Nazis sind saufende, prügelnde Verlierertypen mit eintätowierten Hakenkreuzen und Springerstiefeln. Die politischen Ansichten der Hauptfiguren bleiben holzschnittartig, Anknüpfungspunkte an gesellschaftlich mehrheitsfähige Diskurse werden nicht benannt. Der Blick wird auf den sogenannten Rand der Gesellschaft gelenkt, auf eine kleine Gruppe von Deliquenten mit Desintegrationserfahrungen. So kann man sich entspannt in den Kinosessel fallen lassen und Mitleidsbekundungen abgeben über die fehlgeleiteten Jugendlichen aus den kaputten Familien. Der Film soll auch im Schulunterricht eingesetzt werden. Auf der Website zum Film werden Lehrmaterialien bereitgestellt. Lehrerinnen und Lehrer werden den Film lieben, denn er ist genau das, was sie brauchen. Die Beschäftigung mit der eigenen Rolle und dem Rassismus der Mehrheitsgesellschaft bleibt unnötig. Die prügelnden, dummen und saufenden Glatzen mit ihren Hakenkreuzen sind schließlich das Problem. Da wäre zum Beispiel Sandro (Gerdy Zine), der in der Gruppe hohe Anerkennung genießt. Für Marisa ist er neben ihrem Großvater der einzige Mensch, zu dem sie aufschaut. Er schafft es, durch besondere Brutalität zu beeindrucken.
Warum aber ein Film über schlagende und saufende Neonazis präventiv gegen rechte Ideologien wirken soll, ist unklar. Abgestandene Klischees über die Naziszene werden hier abermals verbreitet. Symptomatisch dafür sind die Hauptfiguren Marisa mit ihrer klassischen Renee-Frisur und ihr Skinhead-Freund Sandro. Es wirkt, als seien sie einer Broschüre zum Thema »Rechte Symbole, Zeichen, Codes« entsprungen. Neben tätowierten Hakenkreuzen finden sich auf ihren Körpern Runen, Aufschriften wie »Blut und Ehre«, »14 Words« und weitere NS-Folklore. Sex findet ausschließlich unter einer drei mal drei Meter großen Hakenkreuzfahne statt. Alkohol und Gewalt dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Marisas Mutter ist selbstverständlich alleinerziehend und schenkt ihrer Tochter wenig Anerkennung. Die heterosexuelle Kleinfamilie wird im Film als Ideal hochgehalten. Als Erklärung für das Abgleiten der Jugendlichen dient, dass sie allesamt aus »kaputten Elternhäusern« kommen.
David Wnendt ist mit seinem Film »Die Kriegerin« angetreten, um ein differenziertes Bild über die moderne Naziszene zu liefern. An diesem Anspruch ist er leider gescheitert.

Die Kriegerin (D 2011). Buch und Regie: David Wnendt. Start: 2. Februar