»Man kennt das aus Filmen«

Im Februar des vergangenen Jahres wurde das Hausprojekt »Liebig 14« in Berlin-Friedrichshain geräumt. Anlässlich des Jahrestags der Räumung ruft eine Gruppe ehemaliger Bewohner und Unterstützer für den Samstag zu einer »Zombie-Parade« auf. Über das Ab- und Aufleben des Hausprojekts gibt ein Mitglied der Vorbereitungsgruppe Auskunft.

Ist der Jahrestag der Räumung ein Grund zur Melancholie oder zum Feiern?
Klar ist da Melancholie. Immerhin war das Haus ein Teil unseres Lebens, und jetzt ist es einfach weg. Der Jahrestag ist für uns ein Anlass, die Geschichte noch einmal zu rekapitulieren und sich zu treffen. Und dann ist auch diese Wut wieder da, als wäre das Haus gestern geräumt worden.
Aber immerhin wohnen viele ehemalige Bewohner nun in normalen Wohnhäusern. Ist das nicht die »Verbindung zur Gesellschaft«, die ihr selbst eingefordert habt?
Für diese Verbindung brauchte es keine Räumung. Schließlich konnte man uns nicht nur als krasse »Hausis« und Subkulturelle betrachten, sondern auch einfach als Mieter, die sich wehren. Um der Verfügungsgewalt der Hauseigentümer etwas entgegenzusetzen, braucht man aber auch ein solidarisches Umfeld. Und dieses war im Fall der »Liebig 14« doch sehr an den konkreten Ort gebunden.
Ihr ruft die »lebendigen Toten« zu einer Parade auf. Wer darf sich davon angesprochen fühlen?
Aufgerufen sind alle, die sich nicht zu Hause fühlen in einer durchkapitalisierten Stadt, die unzufrieden sind mit Miete, Lohnarbeit und kultureller Normierung. Schlecht bezahlte Lohnarbeit für absurd teure Mieten in normierten Wohneinheiten – das ist die Zombifizierung der Stadt. Aber Zombies können, wenn sie in Massen auftreten, diesen Alltag auch gründlich auf den Kopf stellen. Man kennt das ja aus Filmen.
Das Hauskollektiv bleibt also auch ohne Haus aktiv. Gibt es noch Aktivitäten im Bezug auf euer altes Haus oder geht es nur noch allgemein um Gentrifizierung?
Die Räumung war mit vielen Gerichtsverfahren verbunden, die uns noch eine Weile beschäftigten. Immerhin kam bei einem dieser Verfahren heraus, dass die ganze Räumung so nicht legal war – ein Treppenwitz sozusagen. Bei der Parade geht es nun in erster Linie darum, andere Hausprojekte und Mieter in einer vergleichbaren Situation zu unterstützen und der Gegenseite zu zeigen: Eine Räumung ist kein Ende mit Schrecken – mit einer Räumung ist es nicht vorbei, der Stress wird niemals aufhören. Und wir wollen immer noch ein Ersatzobjekt!