Teil 7 einer Serie über Rechtextremismus in der Eurokrise: Großbritannien

Against Occupy

In Großbritannien attackieren Sympathisanten der English Defense League Mitglieder von Gewerkschaften und Aktivisten der »Occupy«-Bewegung. Letzter Teil einer Serie über rechten Populismus und Extremismus in der Euro-Krise.

Die extreme Rechte in Großbritannien versucht, von der Euro-Krise zu profitieren. Während die Regierung einen explizit antieuropäischen Kursverfolgt, wähnen sich Euro-Skeptiker innerhalb der Conservative Party sowie bei der United Kingdom Independence Party (UKIP) in der Offensive. Die antimuslimische English Defense League (EDL) und andere Gruppierungen aus deren Umfeld haben in der Debatte nur wenige Möglichkeiten, eigene antieuropäische Akzente zu setzen. Allerdings scheinen sie neben Muslimen nun auch die Gewerkschaften sowie die »Occupy«-Bewegung ins Visier zu nehmen. Angriffe auf linke Gruppierungen, die gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung protestieren, mehren sich.
Im November nahm die Londoner Metropolitan Police (Met) 179 Sympathisanten der EDL außerhalb einer Kneipe in London in vorläufigen Gewahrsam. Sie hatten, so die Polizei, einen Angriff auf das Camp der »Occupy London Stock Exchange« geplant. Auf Facebook war für diesen Anlass mobilisiert worden, mindestens ein Mitglied der EDL hatte Morddrohungen ausgesprochen. Am gleichen Tag hatte die EDL in Liverpool ein Gebäude der Gewerkschaft Unite angegriffen. Unter dem Banner »Occupy Unite« versammelten sich rund ein Dutzend Rechtsextreme vor der Gewerkschaftszentrale. Es gelang ihnen nicht, in das Gebäude einzudringen.

Bereits zuvor hatte es einen Angriff der Gruppe »Infidels« auf das Protestcamp der »Occupy«-Bewegung in Newcastle gegeben, bei dem mehrere linke Aktivisten verletzt wurden. Seitdem haben EDL und »Infidels« immer wieder kleinere Angriffe auf Linke vor allem im Norden des Landes unternommen. Ein Angriff auf »Occupy Liverpool« in der vergangenen Woche scheiterte, vier Mitglieder der EDL in Liverpool wurden verhaftet.
Die »Infidels« sind aus internen Streitigkeiten der EDL hervorgegangen und vor allem im Norden Englands stark vertreten. Sie repräsentieren eine radikalere Strömung innerhalb der EDL, die sich von deren Führung entfernt hat. Diese hatte seit der Gründung der Gruppe im Jahr 2009 versucht, ein moderates Image zu pflegen. Die Website der EDL verurteilt jegliche Gewalt und lädt Muslime sowie andere »Minderheiten« zur Teilnahme ein, solange jene bereit seien, den »English way of life« zu akzeptieren. Von Rassismus oder Faschismus grenzt sich die EDL in ihren offiziellen Stellungnahmen ab.
Im Rahmen dieser Strategie gründeten sich 2010 eine »Jewish division« sowie eine »gay division«. Insbesondere die »Jewish division« der EDL erlangte einige Aufmerksamkeit, nachdem die EDL 2010 wiederholt mit israelischen Fahnen demonstriert hatte (Jungle World 45/2010). Einige jüdische Mitglieder arbeiten weiterhin in der Gruppe, doch die meisten jüdischen Organisationen in Großbritannien lehnen die EDL und ihre Bündnis­angebote ab.

Die moderate Strategie der EDL-Führung hat nicht zuletzt dadurch gelitten, dass der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik bekundete, er sei durch die EDL beeinflusst worden. Die Facebook-Accounts der EDL wurden nach Breiviks Terroranschlägen im Sommer stillgelegt. Vor den Anschlägen hatte die EDL dort 80 000 Unterstützer sammeln können. Seit der Neugründung der Facebook-Gruppe sind allerdings nur etwa 12 000 zurückgekehrt.
Die »Infidels« sowie die Ablegergruppen der EDL in Schottland (SDL) und Wales (WDL) halten ohnehin wenig von der Strategie der Führung. In diesen Gruppen mischen sich ehemalige Mitglieder der antisemitischen National Front sowie der British National Party. Versuche, der immer stärkeren Entfremdung zwischen den »Infidels« und der EDL entgegenzuwirken, scheiterten kläglich. In Newcastle endete im Herbst ein Treffen zwischen den Gruppen mit einer Schlägerei.
Die EDL ist wegen ihrer Uneinigkeit bezüglich des politischen Kurses derzeit als relativ schwach einzuschätzen. Die sich häufenden Angriffe auf linke Gruppen und Gewerkschaften kann man wohl als Ausdruck der Radikalisierung von Splittergruppen wie den »Infidels« werten. Nicht zuletzt hat sich Hass gegenüber Linken und Gewerkschaften aufgebaut, die umfassend und oft erfolgreich gegen die EDL mobilisiert hatten. Möglicherweise handelt es sich bei den Angriffen auf die Linke auch um den Versuch der extremen Rechten, sich in die populäre Debatte um eine bessere Wirtschaftspolitik einzumischen.

Die Angriffe auf Gewerkschafter und Linke sind weit davon entfernt, eine kohärente Politik zur Wirtschafts- oder Eurokrise zum Ausdruck zu bringen. Diese wäre noch am ehesten von der um ein moderates Image bemühten EDL zu erwarten. Es ist bekannt, dass sie Kontakte sowohl zu anderen europäischen Rechtsextremen als auch zur der US-amerikanischen Tea Party unterhält. Allerdings findet sich unter den offiziellen Stellungnahmen der EDL keine Aussage zur Wirtschafts- oder Europapolitik. Der Schwerpunkt der EDL bleibt ihre antimuslimische Orientierung.
Zwischen der EDL und der antieuropäischen UKIP gibt es indes einige personelle Überschneidungen. Kim Gandy, inzwischen Kandidatin der UKIP, die auf ihrer Facebook-Seite auch auf Fotos mit Nigel Farage, dem Vorsitzenden der UKIP, zu sehen ist, wirkte führend in der EDL mit. Und Alan Lake, der in der Anfangsphase der EDL sowohl als Organisator als auch als finanzieller Unterstützer mitwirkte und häufig bei ihren Demonstrationen als Redner auftrat, gilt Recherchen des Guardian zufolge als eine weitere Kontaktperson zwischen EDL und UKIP. Die UKIP selbst hingegen weist die Behauptung zurück, sie stehe der EDL nahe. Der UKIP ist die Euro-Krise höchst willkommen, weil durch diese die antieuropäische Stimmung in Großbritannien stärker wird und die Rechte hofft, daraus politisches Kapital zu schlagen. Bei den Europa-Wahlen 2009 wurde die UKIP in Großbritannien zweitstärkste Kraft nach den Konservativen. Bei den Unterhaus- und bei Kommunalwahlen hat sie bisher hingegen kaum große Erfolge verbuchen können. Der maßgebliche politische Einfluss der UKIP besteht darin, Druck auf die Konservativen auszuüben. Mit Erfolg, der euroskeptische Flügel der Konservativen hat in letzter Zeit die Politik der Regierung in der Euro-Krise bestimmt.