Bekenntnisse eines Swing tanzenden Punks

Folge 131. Kreuzberg Swing, 13. Januar 2012.

Am vorvergangenen Freitag habe ich zum ersten Mal eine Swingparty veranstaltet. Schon im vergangenen Sommer hatten meine Freundin und ich die Idee, einmal im Monat auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof zu tanzen. Ich wollte meine Swingplatten endlich mal in der Öffentlichkeit auflegen und hatte eigentlich nur an die Teilnehmer unseres Anfängertanzkurses gedacht. Tatsächlich kamen bis zu 150 Tänzer in den Park.
Als es kälter wurde, dachte ich darüber nach, eine Veranstaltung drinnen zu machen. Der Festsaal Kreuzberg bot sich an. Es gibt eine große Bühne, einen guten Tanzboden und eine amtliche Anlage. Um es kurz zu machen, der Abend lief super! 200 Leute kamen, tanzten und amüsierten sich. Die Band meines Freundes Frank spielte zwei Sets und begleitete den Kabarettisten und Lindy Hopper Bodo Wartke bei einigen seiner Nummern. Das hatte ich bisher noch auf keiner Swingveranstaltung erlebt. Während ich tanzte, war ich hin- und hergerissen: Soll ich tanzen oder lieber den lustigen Texten zuhören und Bodo beim Steppen zusehen? Aber es gab auch kritische Stimmen. Später hörte ich von einem Bekannten, er habe eine Frau beobachtet, die aufgebracht aus dem Saal gestürmt sei. Lauthals habe sie sich empört. »Die Band geht ja gar nicht! Das ist ja gar keine Swingmusik! Das hat mir den ganzen Abend ruiniert!« Als der Bekannte den Kopf schüttelte, habe sie ihn angeraunzt: »Wer bist du denn?« Der Bekannte: »Ich bin kein Tänzer.« Sie: »Na, dann verstehst du ja auch nichts davon.«
Ach, herrlich, dachte ich, als ich die Story hörte. Dass es in der Swingstanzszene, die ja noch nicht mal eine richtige Musikszene ist, auch kleinkarierte Puristen gibt, wusste ich schon vorher. Die meisten Swingtänzer sind allerdings im Gegensatz etwa zu Punks, die immer auch Punkfans sind, gar keine Swingfans. Zu Hause hören sie die Musik überhaupt nicht und kaufen auch keine Swingplatten. Sie wollen einfach nur tanzen. Wer erst mal die 30 überschritten hat, fühlt sich in trendigen Clubs unter lauter Zwanzigjährigen immer unwohler. In der Swingtanzszene lässt man die Trends und oft auch jede Coolness hinter sich, entdeckt dafür aber die Lust an der Bewegung des eigenen Körpers zur Musik wieder. Als Teenager gehört das Tanzen ganz unmittelbar zum Leben, mit fortschreitendem Alter tanzt man weniger. Dabei macht regelmäßiges Tanzen glücklich und fit, zumal wenn es sich um einen so sportlichen Tanz wie Lindy Hop handelt. Ich wollte meine Veranstaltung gemeinsam mit Freunden gestalten und deshalb spielte da auch das Franky Fuzz Swing Quartett. Das deren Swingmusik nicht ganz authentisch klingen würde, war mir klar. Frank ist ein Rocker mit einem Herz für Schlager. Außerdem ist er lustig. Und »lustig« ist immer besser als »richtig«. Ich bin nicht irgendwann Punk geworden, um es allen recht zu machen. Und wenn ich jemanden allein mit meinem vorgeblich schlechten Geschmack provozieren kann, mache ich das immer noch gerne.