Aktionen zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens

Zwischen Coventry und Leningrad

Zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens werden Neonazis auch diesmal einen Fackelmarsch abhalten. Auf eine zusätzliche Großdemonstration scheint die Szene jedoch zu verzichten. Die Auseinander­setzung mit dem deutschen Opfermythos wird indessen vernachlässigt.

Die Generalprobe für den Großaufmarsch von Neonazis Mitte Februar in Dresden ist gelaufen. Vergangene Woche marschierten rund 1 300 Neonazis durch die Magdeburger Innenstadt, um der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg zu gedenken. Aus Sicht der Rechtsextremisten lief die Demonstration störungsfrei, obwohl etwa 10 000 Menschen gegen den Aufmarsch protestierten: Die Gegendemonstranten hatten eine Menschenkette um die Innenstadt gebildet, als symbolischen »demokratischen Schutzwall« gegen die Neonazis; Blockadeversuche scheiterten. In einer Reportage des MDR wurde resümiert: »Die Magdeburger haben aus einem schwierigen Anlass ein buntes Fest gemacht, weder Rechts- noch Linksextreme haben heute die Stadt dominiert.« In Dresden könnte es am Abend des 13. Feb­ruar ähnlich laufen – mit dem Unterschied, dass man dort mit doppelt so vielen Neonazis wie in Magdeburg rechnen muss. Wie in jedem Jahr wollen sie dort, anlässlich der Bombardierung Dresdens, mit Fackeln durch die Stadt marschieren.

Unklar ist weiterhin, was auf die Stadt am Samstag nach dem 13. Februar zukommt. An diesem Tag fanden zumindest in den Vorjahren die Aufmärsche der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) statt. Das Bündnis »Dresden Nazifrei«, das diese zuletzt erfolgreich blockiert hatte, ruft auch in diesem Jahr für den Samstag zu Massenblockaden auf. Nach Informationen des Dresdener »Antifa-Rechercheteams« (ART) findet jedoch diesmal kein ernstzunehmender Nazi-Aufmarsch am Samstag statt. »Die Nazis aus der freien Kameradschaftsszene wollen keine Demo an diesem Tag, und die JLO ist nicht in der Lage, so etwas allein zu organisieren«, sagte Simone Ritter vom ART im Gespräch mit der Jungle World. Außerdem sei die NPD, die in der Vergangenheit ebenfalls am Wochenende aufmarschierte, »zurzeit zurückhaltend«. Ritter zufolge »wird sie sich da anschließen, wo sie den geringsten Aufwand hat«. Dafür habe der traditionelle Fackelmarsch am 13. Februar innerhalb der Szene an Bedeutung gewonnen.
Auch Falk Kämpfer, Pressesprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen, bestätigt, dass für den Samstag »bis auf einzelne Meinungsäußerungen von Rechtsextremisten im Internet noch keine öffentliche Mobilisierung zu verzeichnen« sei. Dies lasse ihn annehmen, dass eine Demonstration der Neonazis am Wochenende, falls sie überhaupt stattfindet, deutlich kleiner sein werde als der Fackelmarsch, den das »Aktionsbündnis gegen das Vergessen« organisiert, ein neonazistisches Bündnis, das seit 2007 von der freien Kameradschaftsszene getragen wird. Unter der offiziellen Bezeichnung »Gedenk- und Trauermarsch« fordert das Bündnis ein »würdevolles, authentisches Gedenken« an die Bombardierung der Stadt.

Sollten sich am 18. Februar dennoch Neonazis nach Dresden verirren, dürften sie auf starke Gegenwehr treffen. Dem Sprecher der Stadt, Kai Schulz, zufolge habe sich die Stadt mit Parteien, Verbänden, Kirchen und zivilgesellschaftlichen Gruppen auf »Protestaktionen in Hör- und Sichtweite der Nazi-Demonstration geeinigt«. »Dies ist ein weiterer großer Schritt der Bürgerschaft«, sagte er. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich stellte sich überraschend an die Spitze der Aktion. Verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen, bei denen der CDU-Mann eher dafür bekannt ist, Aktivitäten von Neonazis in Sachsen zu verharmlosen oder zu ignorieren, reagierten skeptisch auf diese Nachricht: Man könne nicht glauben, dass Tillich einen Protest in »Hör- und Sichtweite« anführe, wenn die Gefahr bestünde, dass sich auch nur drei Nazis zu einer Demonstration formierten, ist dort zu hören – ein Zeichen, dass auch die Stadt keinen Aufmarsch am Samstag erwartet. »Dresden Nazifrei« hält dennoch an dem Aufruf zu Massenblockaden an diesem Tag fest, um Europas größten Aufmarsch von Neonazis, zu dem sich die Samstagsdemonstration entwickelt hatte, »endgültig Schachmatt zu setzen«. Sollten doch keine Neonazis aufmarschieren, so Bündnissprecher Paul Tschirner gegenüber der Jungle World, könne man immerhin feiern, dass die Dynamik ihrer Aufmärsche in Dresden gebrochen worden sei.
Zweifellos hat das linke Bündnis in den vergangenen Jahren viel geleistet. Doch der Jubel darüber, dass der Samstagsaufmarsch der Neonazis ein Ende gefunden habe, könnte verfrüht sein. In den letzten 14 Jahren kam es immer wieder vor, dass die Neonaziszene nur am eigentlichen Jahrestag der Bombardierung demonstrierte. Tschirner meint, »die NPD-JLO-Demonstrationen und der 13. Februar sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe«. Man rufe natürlich auch für diesen Tag dazu auf, die Neonazis zu stoppen, aber für eine bundesweite Mobilisierung reiche es nicht. Auf diese Weise könnten alle Beteiligten Erfolge vermelden: Die Neonazis werden am 13. Februar ihren Fackelmarsch mit mehreren Tausend Teilnehmern durchführen, das Bündnis »Dresden Nazifrei« kann am 18. Februar feiern, dass man die Nazis zurückgedrängt habe, und die Stadt Dresden wird verkünden können, dass die Dresdener Bürgerschaft den Aufmarsch am 18. Februar verhindert habe.

Ungeachtet aller Diskussionen um die Massenblockaden in Dresden und deren Erfolge rückte in den vergangenen Jahren die Auseinandersetzung mit dem Opfermythos, für den Dresden als Symbol steht, in den Hintergrund. Es scheint mittlerweile üblich geworden zu sein, Deutschen als Opfern des Krieges zu gedenken – wenn auch in Abgrenzung zu den Neonazis. So sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth jüngst in Magdeburg, man dürfe nicht zulassen, dass die Nazis das »Leid«, das mit der Bombardierung verbunden gewesen sei, »missbrauchen«. Die Stadt Dresden wiederum hat die offizielle Trauerfeier, die alljährlich am 13. Februar auf dem Heidefriedhof stattfindet, umgestaltet, um sie besser vor einer »Vereinnahmung« zu schützen. Zukünftig sollen keine Kränze mehr an der Gedenkmauer niedergelegt werden, sondern weiße Rosen in einem Rondell aus Sandsteinsäulen.
Schulz erläuterte der Jungle World diesen Ge­denk­ort: »Stellvertretend für die Stätten des Krieges wurden 14 Orte ausgewählt.« Dabei stünden sieben Säulen für die Konzentrationslager von Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Ravensbrück, Sachsenhausen und Theresienstadt; weitere vier symbolisierten die Zerstörung Coventrys, Leningrads, Rotterdams und Warschaus durch die deutsche Wehrmacht. Für die Massaker an der Zivilbevölkerung durch Wehrmacht und SS stünden wiederum Lidice und Oradur. Und schließlich: »Die Stele mit der Aufschrift Dresden erinnert an die Bombardierung Dresdens und die zivilen Opfer im Ergebnis des Kriegsverlauf«, so Schulz. Nach Meinung des antideutschen Bündnisses »Keine Versöhnung mit Deutschland!« steht das Konzept des Stelenkreises für genau das, was die Neonazis mit der Bezeichnung »Bombenholocaust« zum Ausdruck bringen wollen. Die Pressesprecherin des Bündnisses, Susen Blum, sagte im Gespräch mit der Jungle World: »Nazis und Bürger haben unterschiedliche Motive. Die einen wollen Rache und die anderen Versöhnung. Im entscheidenden Punkt sind sie sich allerdings einig: Mit ihrem Bezug auf die angeblich unschuldigen Bombenopfer wollen sie die Taten der Deutschen relativieren.« Das Bündnis fordert deshalb 67 Jahre nach der Bombardierung Dresdens, das Gedenken daran endlich abzuschaffen.