Die Dreharbeiten-Ausstellung »Am Set«

How to Make Movies

Blicke hinter die Kulissen von Hollywood und Babelsberg: Die Ausstellung »Am Set« zeigt Fotos von den Dreharbeiten großer Kinofilme.

Fred Astaire sitzt inmitten eines Gewirrs aus Maschinen und Kabeln, Charles Laughton spaziert mit verschmitztem Lächeln durch einen Wald aus Glühbirnen, ein Starlet, das fast unter einer Satindecke verschwindet, droht von einer monströsen Kamera erschlagen zu werden, die ihr gegenübersteht, und am Set von »Robin Hood« wird für die Massenszene ein gigantisches Megaphon eingesetzt, in das der Regisseur Allan Dwan mindestens dreimal hineinpassen würde. Die »Traumfabrik«, als die das Kino in seinen Anfangsjahren mythologisch beschworen wurde, zeigt sich in den Fotografien, die in der Ausstellung »Am Set« zu sehen sind, wesentlich profaner und nicht zuletzt technischer, als man es von den glamourösen Studiofotografien kennt, in denen nichts den Raum des schönen Scheins stört. Zwar ist auch die Authentizität der Setfotografien oftmals inszeniert, schließlich dienten die Bilder der Absatzförderung des Films in einer sich rasant entwickelnden Industrie. Mitten im Arbeitsprozess entstanden aber auch Werkaufnahmen, die die Geschäftigkeit vor und während der Dreharbeiten einfangen, Bilder, auf denen Kameras und Scheinwerfer die eigentlichen Protagonisten des Geschehens sind.
So erzählt die Setfotografie – zumindest wie sie die Ausstellung der Cinémathèque française konzipiert hat, beschränkt auf den Studiofilm der drei Kinoländer USA, Frankreich und Deutschland über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten – vor allem eine Geschichte des Verhältnisses zwischen Mensch und Maschine.
Regisseure posieren stolz neben ihrer Bell & Howell-Kamera, Schauspieler geben vor, mit Scheinwerfern, Windmaschinen, Kabeln, Dollys und Kränen zu hantieren. Auf einer Fotografie steht die Schauspielerin Mary Pickford auf einer Leiter und schaut durch das Objektiv einer Mitchell-Kamera, ganz so, als sei sie die Regisseurin des Films. Oft spürt man die Aufgekratztheit, das Erstaunen und die Selbstgewissheit der Filmleute, die sich als Pioniere einer neuen Kunst sahen. Teilweise schwingt in den Posen der von Maschinen umgebenen Schauspielerinnen eine sinnliche, sogar erotische Qualität mit. Die Schauspielerin Ruby Keller etwa, in kurzen Latzhosen und Puffärmelbluse gekleidet, hält sich auf einem Stuhl stehend keck an einem »Softlite«-Scheinwerfer fest (am Set von »42nd Street«, 1933), während Carole Lombard bei den Aufnahmen zu »Brief Moment« (David Burton, 1933) einen fast verliebten Blick auf das über ihr angebrachte Galgenmikrophon wirft.
Die Ausstellung im Berliner Museum für Film und Fernsehen ist zum einen nach den Themen Kameras, Licht, Kulissen, Studios etc. gegliedert, zum anderen monographisch nach ausgewählten Regisseuren wie David W. Griffith, Cecil B. DeMille, Erich von Strohheim, René Clair, Jean Renoir, Friedrich Wilhelm Murnau und Fritz Lang. Auch wenn die Bilder der teils namenlosen, teils bekannteren Fotografen wie Roger Forster, Raymond Voinquel, Horst von Harbou, Rudolf Brix und Clarence Sinclair Bull fraglos einen eigenständigen ästhetischen Wert besitzen, gilt das Interesse der Kuratoren vorwiegend dem dokumentarischen Aspekt. Auf diese Weise lassen sich die Setfotografien vor allem als Zeugnisse einer raschen Abfolge spektakulärer technischer Veränderungen lesen. Ist auf den Aufnahmen aus der Frühzeit des Kinos noch die handbetriebene Kurbelkamera in schlichtem Holzgehäuse zu sehen, wird sie später durch die gewaltige Mitchell ersetzt, die elektrisch betrieben und in eine schallisolierende Hülle gepackt wurde. Auch der Kulissenbau machte von den trompe-l’œil-Kulissen bis zu den verschwenderischen Hollywood-Sets der zwanziger und dreißiger Jahre einen enormen Sprung. Die entscheidende Entwicklung erlebte das Kino mit dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm im Jahr 1927, der sich auf alle Bereiche der Filmproduktion ästhetisch, technisch wie ökonomisch auswirkte. Auch die Entwicklung der Beleuchtungstechnik lässt sich anhand der Fotos nachvollziehen. Bogenlampen wurden von Quecksilberdampfröhren abgelöst, später folgten leistungsstarke Glühlampen. Wie stark etwa die Lichter der Bogenlampen waren, lässt ein Foto von den Dreharbeiten in den Filmstudios von Billancourt zu Beginn der dreißiger Jahre erahnen, das auf den ersten Blick wie eine absurde Verkleidungsszene anmutet: Die meisten Techniker tragen schwarze Brillen, um ihre Augen vor dem grellen Licht zu schützen.
Sieht man einmal von der mythologischen Bedeutung dieser Dokumente ab, die die Maschinen mitunter wie magische Gerätschaften ins Bild rücken, bleiben vor allem Bilder der Arbeit übrig. Schnell entwickelte sich die Filmproduktion zu einem arbeitsteiligen Prozess. Auf den zahlreichen Fotos der Filmteams wird ein enger Zusammenhalt aller an der Produktion Beteiligten demonstriert. Vor allem die Setfotos der Filme von Abel Gance fangen eine gelöste Atmosphäre ein. Unübersehbar ist aber auch die Hierarchie am Set. Charlie Chaplin kommentierte diesen Aspekt in seinem zwischen den Genres Comedy und Dokumentation changierenden Film »How to Make Movies« (1918), indem er sich als eine Art Sklaventreiber einer stinkfaulen Masse inszenierte: Das Filmteam sitzt quasselnd oder Zeitung lesend herum, bis der Regisseur am Set erscheint und die Müßiggänger aufscheucht.
Selbstverständlich dienten Setfotos auch der Selbstinszenierung von Regisseuren, auf vielen Aufnahmen stechen sie allein schon wegen ihrer riesigen Megaphone aus der Masse heraus. Dabei spiegeln die Bilder nicht nur das Selbstverständnis des Regisseurs als Künstler, sondern bringen auch sämtliche Vorlieben und Marotten zum Vorschein. Während Cecil B. DeMille in Stiefeln wie ein General auf dem Set marschiert, hat die Herrscherattitüde von Erich von Strohheim etwas gänzlich Überspanntes. Für seinen Film »Foolish Wives« (1922) ließ der Regisseur, der auch als »the man you love to hate« bekannt war und sein Image publikumswirksam einzusetzen verstand, das Casino von Monte Carlo als Kulisse originalgetreu nachbauen. Doch trotz seines Größenwahns weicht hier das Üppige, Ornamentale des typischen Studiodekors einer visuellen Sprache, die von einem für ihre Zeit ungewöhnlichen Realismus zeugt.
In Berlin ist die Ausstellung in einer erweiterten Fassung zu sehen. »Am Set. Berlin – Babelsberg, heute« lässt sich als eine Feier des Standorts Berlin als Filmstadt verstehen: Die Babelsberger Filmstudios werden in diesem Jahr 100. Zu sehen sind Setfotografien deutscher wie internationaler Produktionen, darunter Quentin Tarantinos »Inglorious Basterds« oder Roland Emmerichs unsäglicher Shakespeare-Schinken »Anonymus«. Auch das deutsche Autorenkino ist mit einigen Bildern vertreten, etwa mit Fotos von Christian Petzolds neuem Film »Barbara«. Im Vergleich zu den sorgfältig in Szene gesetzten Schwarz-Weiß-Fotografien aus der Frühzeit des Kinos wirken diese Bilder unspektakulär und fast erschreckend banal. Vielleicht hat die Auswahl der Filme zu diesem Eindruck beigetragen. Dennoch scheint die Arbeit des Setfotografen im Zeitalter der digitalen Medien zu verkümmern. Zweifellos hat auch die Allgegenwart der Bilder das Kino entzaubert. Von schwerer Filmtechnik ist auf den jüngeren Fotografien kaum mehr etwas zu sehen: Es ist, als fehle den Regisseuren und Schauspielern nunmehr der Halt, den die Maschinen einst boten.

Am Set. Paris, Babelsberg, Hollywood, 1910 bis 1939. Berlin-Babelsberg, heute. Deutsche Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen, Berlin. Bis 29. April.