Islamistischer Terrorismus in Thailand

Immer freundlich bleiben

In Bangkok wurde ein mutmaßlicher islamistischer Terrorist gefasst, der Anschläge auf israelische Einrichtungen geplant haben soll. Die thailändische Regierung fürchtet nach Reisewarnungen um Einnahmen aus dem Tourismussektor.

An den wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie dem Grand Palace herrscht reger Betrieb. Bei mehr als 30 Grad im Schatten ist in Thailand derzeit Hochsaison. »2011 war ein Rekordjahr«, gab ein Sprecher des thailändischen Tourismusministeriums Mitte Januar bekannt. Nie zuvor hatte das Königreich, das seit 66 Jahren vom König und Komponisten Bhumibol regiert wird, – von den Thais »der Große« genannt – so viele Urlauberinnen und Urlauber gezählt. Mit Gefahren wie terroristischen Anschlägen musste man, zumindest in den touristischen Zentren, nicht rechnen.
Einen Tag nach den Erfolgsmeldungen des Tourismusministeriums wurde aufgrund von Hinweisen des israelischen Geheimdienstes Hussein Atris am internationalen Flughafen von Bangkok festgenommen. Atris, ein mutmaßliches Mitglied der Hizbollah mit schwedischer und libanesischer Staatsangehörigkeit, wird verdächtigt, Anschläge auf israelische Einrichtungen in Thailand vorbereitet zu haben, unter anderem auf das Chabad-Haus, ein Treffpunkt für reisende Israelis. Nach einem zweiten Verdächtigen wird noch gefahndet.

Zwei Orte konnten mittlerweile ausfindig gemacht werden, an denen der 47jährige Atris und sein Kommando mehrere Tonnen explosiver Stoffe versteckt hielten. Es wird vermutet, dass nach dem Vorbild der Anschläge in Mumbai von 2008 an verschiedenen Orten gleichzeitig terroristische Aktionen erfolgen und dabei Geiseln genommen werden sollten. Nachdem Atris zu Anfang der Ermittlungen noch geständig gewesen war und die Beamten zu den Verstecken geführt hatte, sieht er sich mittlerweile als Opfer einer Verschwörung des Mossad und bemüht sich um eine bes­sere Verhandlungsposition in dem Verfahren. Dies spielt der thailändischen Regierung unter Premierministerin Yingluck Shinawatra in die Hände. Sie versucht zu beschwichtigen und fürchtet angesichts der Reisewarnungen um die Einnahmen aus dem Tourismussektor. Neben Israel und den USA sprachen auch Deutschland und 17 weitere Länder eine Reisewarnung aus.
Der Tourismus ist die wichtigste Einnahmequelle des Landes. Daher wird die Gefahr des islamistischen Terrorismus von den Behörden seit jeher heruntergespielt, um das Image des sicheren Urlaubsparadieses nicht zu gefährden. Der na­tionale Polizeipräsident versicherte der Presse gar stellvertretend für den mutmaßlichen Terroristen, dass Thailand zu jeder Zeit sicher gewesen sei: »Herr Atris will dem thailändischen Volk versichern, dass es sich keine Sorgen zu machen braucht, da es definitiv keinen terroristischen Akt in Thailand hätte geben sollen.« Ein Regierungsvertreter fügte hinzu, dass das explosive Material den Ermittlungen zufolge nicht für einen Anschlag in Thailand gedacht gewesen sei, sondern ins Ausland habe gebracht werden sollen. Bisher wird Atris daher nicht wegen Terrorismus angeklagt, sondern wegen des Besitzes einer verbotenen Substanz. Bei Verurteilung drohen ihm fünf Jahre Haft. Auch der Außenminister Surapong Tovichakchaikul will keine Anzeichen dafür sehen, dass Thailand ins Visier von Islamisten geraten könnte. Schließlich sei man immer zu allen freundlich gewesen.
Die thailändische Regierung hatte am 20. Januar offiziell erklärt, einen palästinensischen Staat anzuerkennen und bei der Uno für einen Palästinenserstaat zu stimmen. Thailand sieht sich selbst gerne als Vorbild asiatischer Toleranz, als einzigartigen Ort, an dem Menschen und Reli­gionen jedweder Herkunft friedlich koexistieren. Diesem Selbstverständnis entspringt der Glaube, dass durch möglichst wenig öffentliche Kritik und Einmischung alles gut werde. Doch das permanente Verharmlosen der islamistischen Bedrohung wird von Teilen der Bevölkerung skeptisch beobachtet. Was den Schutz vor Terrorismus angeht, wird der eigenen Regierung misstraut. Einer aktuellen Umfrage zufolge sehen mehr als 50 Prozent der Thais die USA als eine glaubwürdigere Informationsquelle an.

Thailändische Zeitungen werfen der Regierung vor, das Problem des Islamismus zu verleugnen oder bewusst herunterzuspielen. Dabei gäbe es für Thailand genug Gründe, im militanten Islamismus nicht nur eine Gefahr für die Zukunft zu sehen. Während im Süden des Landes der militante Konflikt zwischen thailändischen Buddhisten und Muslimen zum Alltag gehört, blieb das Zentrum des Landes in den vergangenen zehn Jahren zwar von größeren Terroranschlägen verschont, war aber immer wieder heimlicher Tummelplatz extremistischer Muslime. So soll zum Beispiel das Attentat auf Nachtclubs in Bali im Jahr 2002 in Thailand geplant worden sein. Das al-Qaida-Mitglied Riduan bin Isomuddin, der unter dem Kampfnamen Hambali bekannte Drahtzieher dieser Anschläge, wurde ein Jahr später in der Nähe von Bangkok verhaftet. Ihm konnte im Verlauf der Ermittlungen auch die Planung eines Anschlags auf das asiatisch-pazifische Wirtschaftstreffen 2003 in Bangkok nachgewiesen werden.
Im Süden des Landes, in der Problemregion an der malaysischen Grenze, versuchen islamistische Separatisten die Abspaltung von Thailand mit Gewalt herbeizuführen. Beinahe täglich kommt es rund um die Provinz Pattani zu jihadistischen Gewalttaten gegen buddhistische Mönche, Soldaten und sogar gegen islamische Schulen und Moscheen, die mit der Regierung kooperieren. Seit 2004 wurden dabei mehr als 4 000 Menschen ermordet. Die Einschüchterung durch Brandanschläge, Erschießungen und Enthauptungen zeigt ihre Wirkung. Nichtmuslimische Thais wandern massenhaft in den Norden ab. Das thailändische Militär ist gewillt, das Problem auf eigene Faust zu lösen und dabei möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Verliert die Regierung jedoch diesen Kampf, könnte sich die Provinz zu einem Kerngebiet für den globalen Jihad in Südostasien entwickeln. Nicht nur der Tourismusminister wäre dann in Erklärungsnot.